Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
und ich hörte eine Stimme:
Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott? Oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?
Siehe, unter seinen Knechten ist keiner ohne Tadel, und seine Boten zeiht er der Torheit:
wie viel mehr die in Lehmhäusern wohnen und auf Erde gegründet sind und werden von Würmern gefressen!
Es währt vom Morgen bis an den Abend, so werden sie zerschlagen; und ehe sie es gewahr werden, sind sie gar dahin,
und ihre Nachgelassenen vergehen und sterben auch unversehens.»
Wie gelähmt hockte Heinz Blettner hinter dem Beichtstuhl. Sein Herz schlug rasend schnell. Am liebsten wäre er aufgesprungen, hätte den Mann aus der Sündenkammer geprügelt, seinen Kopf in das Taufbecken gepresst und erst damit aufgehört, wenn der preisgab, wo Hella steckte. Seine ganze Geduld und Kraft musste er aufbringen, um sich so zu verhalten, wie es abgemacht war.
Er erhob sich und bemerkte dabei, wie seine Zähne aufeinander mahlten. In diesem Augenblick spähte Gustelies über die Kanzelbrüstung.
Blettner machte ihr ein Zeichen.
Gustelies nickte, und er konnte sehen, wie sie die Bratpfanne fester packte und damit Schwung holte. Sie stand wie ein Racheengel
auf der Kanzel. Ein Racheengel, schnaufend und eine gusseiserne Bratpfanne schwingend.
Blettner versuchte auch, den Antoniter auf sich aufmerksam zu machen, doch der hockte unter der Altardecke und schien damit beschäftigt, die Fransen zu zählen.
Gerade eben hörte der Richter aus dem Beichtstuhl die Abschlussformel von Pater Nau. Gleich würde der Mörder herauskommen.
Blettner schob sich langsam um den Beichtstuhl herum.
Er hörte, wie es drinnen knarrte. Jeden Moment würde die Tür aufgehen. Blettner hob seine geballte Faust.
Und schon schwang sie auf, und Heinz Blettner stürzte herbei, drosch dem Kerl seine Faust ins Gesicht, dass er taumelte. Und schon schwirrte die Luft um ihn herum. Instinktiv duckte er sich, die Bratpfanne zischte an ihm vorbei, traf den Mann an der Schulter und streckte ihn nieder.
Blettner sprang dazu, setzte sich auf den Brustkorb des Mannes, schrie, so laut er konnte.
Pater Nau kam aus dem Beichtstuhl getaumelt. Ganz grau war sein Gesicht.
«Los, setz dich auf seine Beine», schrie Blettner, und der Pater tat es, während Gustelies durch das Kirchenschiff stürmte und nach den Wachen brüllte.
Und dann ging alles rasend schnell. So schnell, dass keiner hinterher mehr sagen konnte, was zuerst und was danach geschah.
Die Büttel kamen gerannt, Blettner erhob sich vom Brustkorb des Mannes. Schon griff der Mörder nach einer kleinen Phiole, die an einer Schnur um seinen Hals hing. Blettner griff ebenfalls danach, doch er kam einen Augenblick zu spät. Der Mörder kippte sich blitzschnell den Inhalt der Phiole in den Mund. Dann verdrehten sich seine Augen nach hinten, und ehe Blettner, Pater Nau und Gustelies wussten, was geschehen war, war der Mann tot.
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Kapitel 45
H ella hatte aufgehört, sich gegen ihre Fesseln zu sträuben. Ihre aufgeschürften Handgelenke schmerzten, ihre Kehle war rau und so trocken, dass sie keinen Ton mehr herausbrachte. Der Kittel klebte ihr am Leib, und sie hätte alles Geld der Welt für einen Becher Wasser gegeben.
Sie war erschöpft und so unendlich müde, wie es nur jemand sein konnte, der sich mit dem eigenen Tod abgefunden hatte.
Hella lehnte am Rücken des Stuhles, zu ihren Füßen lag Lilo, noch immer ihre Haarstoppeln mit dem Blut der Toten tränkend.
Es war vorbei, davon war Hella überzeugt. Die Zeit, die ihr noch blieb, war so kurz, dass sie es wohl nicht einmal mehr schaffen würde, Gott um Verzeihung für alle Schuld, die sie auf sich geladen hatte, zu bitten.
Gleich würde der Jedermann zurückkehren.
Hella sah zu Lilo und nahm sich vor, so wenig wie möglich zu essen und zu trinken, um so dem zu entgehen, was der Jedermann der Lilo sicherlich in die Speisen gemischt hatte. Sie wollte, wenn es denn schon sein musste, ihrem Tod klar ins Auge blicken. Sie wollte nicht sterben und dabei nicht einmal wissen, warum es geschah. Der Jedermann sollte es nicht einfach haben mit ihr.
Wie gern hätte sie noch gelebt. Wie sehr vermisste sie jetzt schon ihren Mann und ihre Mutter, die Freunde, selbst Bruder Göck. Doch sie hatte keine Kraft mehr für einen Kampf. Auf Lilo konnte sie nicht zählen.
Hella schloss die Augen und wünschte sich in eine Traumwelt. Ganz von fern hörte sie das Gebell eines Hundes, und sie hoffte, dass ihr erschöpfter
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