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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Geist ihr nicht den Höllenhund geschickt hatte.
    Sie schluckte, doch in ihrer staubtrockenen Kehle gab es nichts mehr zu schlucken.
    Sie war müde, so müde. Wenn sie doch einschlafen könnte, wenn sie doch nur ein wenig Kraft schöpfen könnte!
    Eine Stimme erklang, rief ihren Namen. Hella lächelte. Sie würde wenigstens im Traum nicht allein sein.
    Jemand rief ihren Namen. Klar und deutlich, wenn auch voller Angst. Schrill fast. Dazu das Gebell des Hundes.
    Was war das für ein Traum?
    Hella zwang sich, die Augen zu öffnen. Das Gebell und die Stimme, die ihren Namen rief, blieben. Und jetzt erkannte sie sie auch. Es war das Kräuterweib, es war Minerva, die sie rief.
    «Hier bin ich! Hier!», wollte Hella rufen, doch aus ihrem Mund kam nur ein Krächzen.
    Sie hustete, räusperte sich, hörte unten, wie eine Tür aufging. «Hier!», rief sie, doch wieder war ihre Stimme so schwach, dass sie sie selbst kaum verstehen konnte.
    «Hella?», rief Minerva.
    Und Hella wusste sich nicht anders zu helfen, als sich mit dem Stuhl umzuwerfen. Sie fiel auf die Schulter, spürte, wie ein höllischer Schmerz durch ihren Arm schoss. Aber sie lächelte, denn zugleich hörte sie auch, dass Schritte die Stiege nach oben eilten.
    Und schon stand Minerva vor ihr, schnitt mit einem Messer die Fesseln durch, half ihr auf.
    «Hella, Gott sei Dank, du lebst! Geht es dir gut? Und dem Kind?» Minerva wollte sie umarmen, doch Hella schüttelte den Kopf.
    «Wir müssen weg hier, ganz schnell. Der Jedermann wird bestimmt gleich zurückkommen.»
    Minerva sah auf Lilo, sah auf die Gestalt unter dem Laken. «Ist sie … sind die Frauen … sind sie gestorben?» Ihre Stimme zitterte.
    «Lilo lebt, wir müssen sie mitnehmen. Die Frau unter dem Laken ist tot, aber ihr Neugeborenes ist gesund auf der Welt. Dort, in der Nachbarkammer. Hol es, bring es zu mir.»
    Minerva eilte, brachte den winzigen Jungen, legte ihn Hella in die Arme. Und Hella presste das Kind an sich, wiegte es, damit
     es noch tiefer in seinen ersten Schlaf sank.
    Schon hatte Minerva eine Schüssel mit kaltem Wasser gebracht, schon goss sie das Wasser auf Lilo, die mit einem Schrei hochfuhr.
    Und schon trug Hella das Kind die Stiege hinab, hörte Minerva hinter sich, die Lilo fest am Arm die Treppe hinunterführte.
    «Wie bist du hierhergekommen?», fragte Hella. «Welchen Weg müssen wir gehen?» Sie standen vor dem Haus, Hella atmete die frische Luft ein, die den Blutgeruch aus ihr vertrieb. Dann legte sie das Kind behutsam auf den Boden, schöpfte mit beiden Händen Wasser aus einem Zuber und trank in gierigen Zügen.
    Minerva trug schwer an Lilo, deutete nur mit dem Kinn auf einen schmalen Pfad, der in den Wald führte.
    «Dort entlang. Geh voraus, aber eile dich.»
    Und Hella nahm das Kind, bettete es vorsichtig und ohne auf die schmerzende Schulter zu achten an ihrer Brust.
    Sie holte ganz tief Luft, spürte, wie etwas sie nach unten zog. Liegen, sie wollte nur noch liegen und sonst nichts. In ihrem Leib zog es, als krampften sich alle Innereien dort zusammen. Sie wollte den Mund öffnen und sagen: «Ich kann nicht mehr», aber da hörte sie von ferne Hufgetrappel und eine Stimme, die liebste Stimme auf der Welt, die rief: «Wir müssen ganz nahe sein, haltet die Augen offen.»
    Es war Heinz’ Stimme, die da rief, und in diesem Augenblick sank Hella zu Boden, den Jungen fest an sich gepresst. Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln, und das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war der Gedanke: Jetzt wird alles gut.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 46
    I n der Küche des Richtershauses prasselte das Feuer im Herd. Darüber hing ein Kessel, in dem Wasser kochte. Vor der Feuerstelle standen zwei Zuber, ebenfalls mit Wasser gefüllt. Gustelies eilte hin und her, brachte frische, nach Lavendel duftende Laken, prüfte ein ums andere Mal die Temperatur des Wassers.
    «Jetzt setz dich auf deinen Hintern», sagte Pater Nau, der trotz der Hitze ein dickes Tuch um den Hals gewickelt trug und in seinen Händen einen Becher mit heißem Würzwein hielt.
    «Sie kann einen ganz verrückt machen mit der Herumrennerei», stimmte Bruder Göck ein und nahm seinerseits einen Schluck heißen Weines.
    «Jetzt lasst sie doch», warf Jutta Hinterer ein. Mit fröhlicher Miene, die Hände ordentlich im Schoß, strahlte sie in den Raum. «Wir bekommen ein Kind», juchzte sie. «Wir bekommen ein zweites Kind.»
    Heinz Blettner sagte kein Wort. Er hing in der Küchenbank, der kleine Junge, den er vom

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