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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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erneut.
    «Und ein Mensch ist ein sakrales Geschöpf», erklärte Gustelies kategorisch. «Also stellt Euch nicht so an.»
    «Augenblick!» Pater Nau rappelte sich mühsam auf. «Ob ein Mensch ein sakrales Geschöpf ist, muss debattiert werden. So steht das nämlich nirgendwo in der Bibel.»
    «Genau», erklärte der Antoniter. «Da steht nur, dass der Herr den Menschen nach seinem Abbild geschaffen hat. Ist ein Abbild nun aber sakral oder nicht? Das ist hier die Frage.»
    Der Schultheiß hieb mit der flachen Hand auf den Küchentisch, sodass die Becher in die Höhe hüpften. «Verflixt und zugenäht», brüllte er. «Wenn das hier alles vorbei ist, könnt Ihr debattieren bis zum Jüngsten Tag, aber jetzt geht es um Wichtigeres. Hellas Leben ist in Gefahr.»
    Die beiden Geistlichen verstummten kleinlaut.
    «Ist das hier immer so?», wollte Kraft von Elckershausen flüsternd von Richter Blettner wissen.
    Der zuckte mit den Achseln. «Meist ist es schlimmer», tröstete er.
    «Also», fuhr der Schultheiß fort. «Pater Nau im Beichtstuhl, Bruder Göck unter dem Altar. Ihr, Gustelies, versteckt Euch auf der Kanzel. Aber hockt Euch richtig hin. Nichts von Euch darf rausgucken.»
    «Jawohl», antwortete Gustelies. «Und ich werde einige meiner Küchengerätschaften mit auf die Kanzel nehmen. Die gusseiserne Pfanne zum Beispiel. Damit kann ich nach dem Mörder werfen.»
    «Eine Pfanne auf meiner Kanzel! Nur über meine Leiche! Die Erde ist in Frevlerhand, aber was zu weit geht, geht zu weit.»
    Der Schultheiß japste nach Luft. «Dann nehme ich Euch am besten gleich wieder mit ins Verlies und setze mich höchstselbst in den Beichtstuhl.»
    «Himmel hilf!», stieß der Pater aus und hustete ausgiebig.
    «Ihr, Richter, versteckt Euch hinter dem Beichtstuhl, und ich selbst werde meine Büttel an den Kirchenausgängen postieren. Weiß jeder, was er zu tun hat?»
    Gustelies nickte kräftig, Heinz Blettner ebenfalls. Bruder Göck und Pater Nau tauschten einen verzweifelten Blick, erklärten sich dann aber zähneknirschend einverstanden.
    Krafft von Elckershausen warf einen Blick auf die Stundenkerze, die auf einer kleinen Anrichte neben der Feuerstelle brannte. «Es ist jetzt kurz nach drei Uhr. Zur Vesper treffen wir uns alle an den zugewiesenen Plätzen. Das sind noch zwei Stunden. Und dann macht jeder nur das, was er tun soll!»
    Mit diesen Worten erhob sich der Zweite Bürgermeister und Schultheiß Krafft von Elckershausen von der Küchenbank des Liebfrauenpfarrhauses und ging davon.
     
    Minerva sah Jutta fallen und erschrak. Hinterher hätte sie nicht mehr zu sagen gewusst, wer ihre Worte geführt, wer ihre Handlungen gesteuert hatte.
    Sie hielt die Mutter Agathes am Arm fest: «Schnell, lauft zum Haus meines Vaters. Er soll den Eisenhutsaft bringen, es geht um Leben und Tod.»
    Die Frau nickte, aber da war Minerva schon losgerannt. Sie warf sich neben Jutta, bettete deren Kopf an ihrem Busen und sprach auf die Geldwechslerin ein: «Bleib hier, Jutta, bleib bei mir. Sieh mir in die Augen, du darfst sie nicht schließen.»
    Ein Fuhrwerk hielt neben ihr an. Der Kutscher stieg ab, betrachtete die Frauen und kratzte sich am Kopf.
    «Habt Ihr Branntwein dabei?» rief Minerva ihm zu.
    «Was? Am helllichten Tage? Es ist gerade kurz nach Mittag. Hat die da nicht schon genug davon?»
    «Los, die Flasche her, aber hastig.» Minervas Ton war so bestimmend, dass der Fuhrmann nur kurz seufzte und einen kleinen Steinkrug, der mit Hanf verschlossen war, aus der Tasche seines Wamses zog.
    «Macht den Krug auf, schnell.»
    Wieder gehorchte der Mann, riss mit den Zähnen den Hanf aus dem Krug und reichte ihn Minerva.
    «Und ein Stöckchen, so macht doch!», schrie das Kräuterweib weiter. Und der Fuhrknecht hob ein Stöckchen aus dem Straßendreck, und Minerva schob es zwischen Juttas Lippen. «Bleib bei mir», redete sie auf Jutta ein. «Geh nicht weg. Wir brauchen dich. Hella braucht dich.»
    Dann goss sie der Geldwechslerin den Branntwein in den Rachen.
    Als der Fuhrmann sah, wie ein Teil davon über Juttas Kinn lief und in ihren Kleidern versickerte, schluckte er schwer, doch er sagte nichts.
    Langsam begann Jutta zu schlucken. «Gut, das ist gut so», lobte Minerva sie, dann wandte sie sich an den Fuhrknecht.
    «Los, haltet sie und flößt ihr das Zeug ein, ich muss ihre Brust massieren.»
    «Kann ich das nicht machen?» Der Fuhrmann grinste.
    Minerva sandte ihm einen Blick, der das ganze Land mit Eis überzogen hätte, und der

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