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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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verschwunden. Doch ihm waren die Hände gebunden.
    Der Schreiber kam ins Zimmer, schreckte den Richter aus seinen Gedanken. «Nun, was hast du in der Vorstadt erfahren?»
    Der Schreiber wich dem Blick des Richters aus. «Nicht viel, das sagte ich ja gestern schon.»
    «Wo überall warst du genau?»
    Der Schreiber zuckte mit den Achseln. «Wer soll sich denn die Namen der ganzen Vorstadt merken? Befragt wurde, wer mir über den Weg lief. Niemand hatte eine schwangere Unbekannte gesehen. Nicht einmal das Henkersweib.»
    «Verstehe ich das richtig? Du bist durch die Vorstadt gestrolcht, hast hier und da ein Schwätzchen gehalten und ansonsten den lieben Gott einen guten Mann sein lassen?»
    Der Schreiber stülpte beleidigt die Unterlippe vor. «Ich habe getan, was Ihr mir aufgetragen habt, Herr.»
    Blettner seufzte tief, dann winkte er ab. «Ist in Ordnung, Schreiber. Die Sache hat sich eh erledigt.»
    Der Schreiber nickte, dann tippte er mit dem Finger auf seine Schiefertafel. «Da ist etwas Neues. Der Schultheiß hat befohlen, dass wir uns um den Wasserschaden in der Ratsschänke kümmern. Der Wirt hat angezeigt, dass ihm dieser Schaden von Menschenhand zugefügt worden ist. Und wir sollen die Schuldigen ermitteln.»
    Heinz Blettner seufzte. «Ist gut, Schreiber. Dann finde heraus, wem die Räume über der Ratsschänke gehören, wer Zugang zu ihnen hat, und dann suche nach der Ursache des Schadens.»
    «Ich?» Der Schreiber tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Brust.
    «Ja. Du. Wer denn sonst? Ich muss Berichte verfassen und kann hier leider nicht weg.»
    Der Schreiber verließ murrend den Raum, und Richter Blettner starrte vor sich auf seinen Schreibtisch, ganz in Grübeleien versunken, bis es Zeit war, nach Hause zu gehen.
     
    Pater Nau wartete, bis das Pfarrhaus still lag und aus der Nachbarkammer nur das leise Schnarchen seiner Schwester Gustelies
     drang.
    Dann schlich er auf Strümpfen die Treppen hinab, nahm die Öllampe vom Küchentisch, Gustelies’ Weidenkorb aus der Kammer und eilte hinüber in die Sakristei. Mit spitzen Fingern öffnete er die Weihnachtstruhe und vermied es dabei, einen Blick auf die Schwarten zu richten. Nur den Zopf, an dem weder Haut noch Blut klebte, sah er an. Einige Fliegen stoben auf, doch der Pater achtete nicht auf sie. Er stopfte den ersten Skalp in den Korb, warf den zweiten dazu und obendrauf den Zopf. Der Geruch, der sich seit dem Öffnen der Truhe in der Sakristei breitgemacht hatte, stieg Pater Nau in die Nase und verursachte ihm Übelkeit. Am liebsten wäre er davongelaufen und hätte sich herzhaft übergeben.
    Gleichzeitig lauschte er auf jedes Geräusch in der Kirche. Als es irgendwo knarrte, erstarrte er, legte eine Hand auf sein wild schlagendes Herz, dann legte er das Jesuskind zurück an seinen Stammplatz, schlug den Truhendeckel zu, packte den Korb mit beiden Händen und schleppte ihn vor die Kirche. Dort sah er sich nach allen Seiten um. Von fern hörte er den Nachtwächter die Stunden ausrufen, eine Katze überquerte den gepflasterten Liebfrauenberg, im Abfall quiekten ein paar Ratten, ansonsten blieb alles still.
    Pater Nau hastete in Gustelies’ Kräutergärtlein und grub mit einer Schippe ein Loch, das gerade groß genug für die zwei Kopfschwarten und den Zopf war und so klein, dass die Haare der drei aus der Erde ragten wie Spargelkraut.
    Hinter sich hörte er ein Geräusch und wandte sich abrupt um. Eine Ratte saß am Beetrand, betrachtete ihn mit winzigen Augen und quiekte leise.
    «O nein», erklärte der Pater mit Flüsterstimme. «Du kommst mir nicht in die Quere. Du wirst mir die grausligen Sachen nicht wieder ausbuddeln. Friss, was immer du willst, aber lass das Beet in Ruhe.»
    Die Ratte quiekte erneut und leckte sich mit einer winzigen rosa Zunge über die Schnauze.
    «Du wirst also nicht auf mich hören», stellte der Pater fest. «Sobald ich wieder in meiner Kammer bin, wirst du das Beet stürmen und dich an dein übles Werk machen. Und das muss ich verhindern, aber wie?»
    Pater Nau sah auf die aufgeworfene Erde zu seinen Füßen. Bis an seine Nase drang der Geruch der Verwesung. Im Augenblick saß da nur eine Ratte, doch der Pater wusste genau, dass sich schon bald auch wilde Hunde, Katzen und anderes Getier hier zum Nachtmahl einfinden würde.
    Von draußen hörte er die Stimme des Nachtwächters näher kommen. Mit beiden Händen riss Pater Nau an den Haaren und legte die Kopfschwarten und den Zopf wieder frei. Er warf alles mit spitzen

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