Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Elckershausen an seinem Kragen riss und Richter Blettner hilfesuchende Blicke zu Gustelies warf, sagte Pater Nau sehr leise: «Ich bin erschöpft, ich kann gar nicht mehr richtig denken.»
Krafft von Elckershausen stieß hörbar seinen Atem aus. «Also gut. Vielleicht ist das sogar besser so. Heute Nachmittag sprechen wir uns wieder. Bis dahin überlegt Euch gut, was Ihr uns zu sagen habt.»
Dann wandte er sich an die Büttel. «Bringt ihn ins Verlies.»
Die Büttel traten einen Schritt vor, doch Gustelies gebot ihnen Einhalt. «Halt, der Pater hat noch nichts gegessen heute. Ihr könnt ihn nicht so einfach von hier wegschleppen.»
«Ach? Sollen wir ihm vielleicht Honigmilch besorgen und weiche Butterhörnchen dazu?», höhnte er.
«Warme Milch ohne Honig reicht auch», erklärte Gustelies.
«Schluss jetzt mit den Faxen!» Auf der Stirn des Schultheißen schwoll eine dicke blaue Ader an. «Der Pater geht ins Verlies.» Dann wandte er sich an Gustelies. «Und wenn Ihr meint, Euer Paterchen braucht unbedingt ein Morgenmahl, dann besorgt ihm was. Ihr könnt es beim Wächter im Verlies abgeben. Und wenn Ihr Glück habt, gibt er einen Teil davon weiter.»
Die Büttel packten Pater Nau bei den Oberarmen und zogen ihn hinaus. Der Monsignore und der Schultheiß folgten ihnen.
Als die Tür hinter den Männern ins Schloss gefallen war, räusperte sich Gustelies. «Er war es nicht», sagte sie. «Er kann es gar nicht gewesen sein. Das weißt du auch, Heinz, oder nicht?»
Der Richter zuckte mit den Achseln. «So langsam weiß ich gar nichts mehr», erklärte er.
Nur wenige Augenblicke später stürmte Gustelies mit wehenden Röcken über den Römer und steuerte geradewegs auf die Geldwechslerbude ihrer Freundin Jutta Hinterer zu.
Diese lehnte schon weit aus ihrer Luke und rief: «Ist das wahr, was man sich heute Morgen erzählt? Unser Pater Nau ist verhaftet worden?»
Schnaufend kam Gustelies heran, ließ sich auf einem Schemel nieder und wedelte mit der Hand vor ihrem hochroten Gesicht herum. «Es ist unglaublich, aber wirklich wahr. Mein Bernhard hat in der Nacht zwei Kopfschwarten und einen abgeschnittenen Frauenzopf auf dem Liebfrauenberg abgestellt. IN MEINEM WEIDENKORB !»
Jutta schüttelte den Kopf. «Wie ist er denn zu den Dingern gekommen?»
Gustelies begann zu schluchzen. «Ich … ich weiß es nicht.»
«Und was sagt der Pater?» Jutta klopfte ihrer Freundin mitfühlend auf den Rücken.
«Das ist es ja eben. Er sagt nichts. Er schweigt wie der Brunhildisfelsen. Kein Satz, kein Wort, keine Silbe.»
«Hmmm», machte Jutta und zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne. «Und was glaubst du, meine Liebe?»
Gustelies hob ihr tränenüberströmtes Gesicht. «Ich habe auch keine Ahnung, was passiert ist. Ich weiß nur, dass mein lieber Bernhard nicht einmal in der Lage ist, ein Kätzchen zu ertränken, geschweige denn, ein Weib zu skalpieren. Ehrlich gesagt hält er die Weiber allesamt für Teufelsbrut. Und vor nichts hat er mehr Furcht als vor ihnen.»
Jutta kicherte, doch als sie Gustelies’ schmerzverzerrtes Gesicht sah, zog sie die Freundin in die Arme. «Du musst dich nicht unnötig sorgen, meine Liebe. Niemand, der den Pater kennt, wird glauben, dass er etwas mit diesen grauseligen Dingern zu tun hat. Im Gegenteil, seine Gemeinde wird aufstehen und die Freilassung verlangen. Was hat dein Schwiegersohn denn schon gegen ihn in der Hand? Nichts als dieses dumme Körbchen. Du wirst sehen, heute Mittag sitzt er bereits wieder am Tisch, dein Pater, und nörgelt an deinem Essen herum.»
«Glaubst du wirklich?» Noch ein letzter Schluchzer strömte aus Gustelies’ Kehle.
«Natürlich glaube ich das wirklich. Was denn sonst?»
«Und wenn nicht?» Gustelies’ Stimme zitterte schon wieder ein wenig.
«Tja, dann. Dann müssen wir uns eben etwas Neues ausdenken. Aber ich bin sicher, dass das nicht nötig sein wird. Vertrau den Frankfurtern.»
Frisch gestärkt von den Worten ihrer Freundin eilte Gustelies über den Markt, um mit den letzten Pfennigen ihres Haushaltsgeldes ein herzhaftes Morgenessen für ihren Pater einzukaufen. Als sie an einem Stand Klärchen Gaube sah, genannt die «gute Haut», die im letzten Jahr statt ihrer den Kuchenwettbewerb gewonnen hatte, hielt sie kurz inne, presste die Hand auf ihr Herz und schickte ein Stoßgebet zur heiligen Hildegard. Doch vergebens. Die gute Haut hatte sie schon entdeckt, zeigte gar mit dem Finger auf Gustelies und schrillte über den
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