Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Hella auf den Schemel drücken. Sie wirkte ganz abwesend.
«Was gibt es Neues?», fragte Jutta dann. «Ihr wirkt alle beide ein wenig aufgeregt.»
In kurzen Worten schilderte Gustelies ihre Begegnung mit Klärchen Gaube, freilich ohne deren Namen zu nennen. Dann berichtete sie von ihrem Besuch bei Heinz Blettner und Krafft von Elckershausen.
Stumm hörte Jutta zu, nur ab und an unterbrach sie die Freundin mit kleinen Ausrufen.
«Und jetzt wollten wir fragen, welches Kleid du Hella ausborgen kannst, bis sie wieder in die eigenen passt», schloss Gustelies ihre Rede.
«Passt sie nicht in deine?», fragte Jutta misstrauisch.
Gustelies straffte sich und stellte sich sogar ein wenig auf die Zehenspitzen. «Nein, nein. Meine Kleider kneifen und drücken sie überall. Schau dir nur ihren Busen an. Ich denke, du kannst ihr besser helfen.»
Jutta blitzte die Freundin wütend an. «Ich hatte schon immer schwere Knochen», erklärte sie, dann wandte sie sich an Hella: «Welches möchtest du? Ich habe ein gelbes und ein grünes.»
«Gelb?» Hella sprach das Wort aus, als hätte sie es noch nie zuvor gehört. «Du hast ein gelbes Kleid?»
«Natürlich. Und ich habe rote Haare. In meinem Gelben sehe ich jünger aus. Und fröhlicher. Warum darf ein Weib in meinem Alter kein gelbes Kleid mehr haben?»
Darauf wusste niemand eine Antwort.
Schließlich sagte Hella: «Wenn ich darf, dann würde ich gern das grüne Kleid haben. Ich gebe es dir sauber zurück. Versprochen.»
Jutta nickte. «Ja, ja. Ich bringe es dir nachher vorbei. Oder besser noch: Ich bringe es deiner Mutter.»
«Das ist mir sehr recht. Ich habe nämlich noch etwas mit dir zu besprechen.»
«Was denn?» Die Neugier sprang Jutta Hinterer schier aus den Augen.
«Nicht jetzt. Ich sage nur: Jungbrunnen.»
Mit diesen Worten nahm Gustelies ihre Tochter beim Arm. «Und dich bringe ich jetzt nach Hause. Ich glaube, du musst dich dringend ausruhen. Heute Abend treffen wir uns dann im Pfarrhaus.»
«Und was gibt es zum Essen?», wollte Jutta wissen.
Gustelies deutete nach unten zum Mainufer. «Hörst du das Geschrei? Das Schiff aus Köln hat angelegt. Ich werde sehen, dass ich frischen Fisch bekomme. Vielleicht haben die Fischhändler sogar etwas vom Meer dabei. Oder hast du auf etwas anderes Appetit?»
«Ich?» Hella erwachte aus ihren Gedanken. «Geht es um ein Essen?»
Die beiden Frauen nickten.
«Ich hätte so gern einmal wieder Kartäuserklöße. Ja, genau danach ist mir.»
«Kartäuserklöße zu Fisch?» Gustelies schüttelte den Kopf. «Kartäuserklöße sind eine Süßspeise.»
Jutta kicherte. «Ich wette, Hella möchte die Klöße nach dem Fisch und nicht dazu. Allerdings, sie ist schwanger, und bei denen weiß man nie.»
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Kapitel 29
A ls Heinz beim Mittagessen saß, trug Hella noch immer das Kleid der Magd. Die Magd selbst servierte die gepökelten Schweinerippen und die Schüssel mit den dampfenden Steckrüben in Hellas rotem Kleid.
«Da muss ich ja aufpassen, dass ich nicht die Falsche küsse», verkündete Heinz gut gelaunt, erntete dafür aber nur einen entsetzten Blick der Magd und einen erschöpften von Hella.
«Mir ist heute nicht zum Lachen», erklärte Hella. «Pater Nau geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn du wüsstest, wie elend er war. Ein Stein hätte mehr Mitleid als Krafft von Elckershausen. Hast du schon etwas von ihm gehört?»
Heinz kicherte ein wenig. «Kaum wart ihr aus dem Haus, da stand er schon in meiner Stube.»
«Und?»
«Wissen wollte er, was das Volk so über ihn sagt. Ob er ein guter Schultheiß wäre und so weiter.»
«Er denkt also, meine Mutter ist die Stimme des Volkes?», fragte Hella.
«Na, jedenfalls ist sie dafür laut genug.» Heinz achtete nicht auf den missbilligenden Blick seiner Frau. «Gleichwohl hegt er erhebliche Befürchtungen, dass Gustelies der ganzen Stadt erzählt, wie sie Pater Nau aus dem Verlies gerettet hat. Der Schultheiß stünde dann da wie einer, der sich von einem Weib ins Bockshorn jagen lässt. Ich glaube, das fände er schlimmer als alles sonst, was einem Schultheiß zustoßen kann.»
«Und was will er unternehmen?»
«Erst einmal nichts, denke ich. Er wird sich mit dem Ersten Bürgermeister absprechen. Auch an ein Gutachten vom Stadtmedicus hat er gedacht.»
«Es geht ihm nicht um Onkel Bernhard, stimmt’s? Der Schultheiß denkt nur daran, wie er seine Haut retten kann. Pfui Teufel. Und so einer bestimmt mit über die Geschicke unserer Stadt.»
Heinz
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