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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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sie. Recht geschieht ihr.
    Eine von den anständigen Frauen spuckte sogar aus vor Hella. Aber keine hatte Mitleid, sodass das Richtersweib sich alsbald fühlte, als wäre sie wirklich eine verstoßene Magd in großen Nöten. Niemals hatte sie sich so einsam gefühlt, so verlassen von Mutter und Gott. Unter den Blicken der Anständigen hörte Hella auf, ein Richtersweib zu sein, und verwandelte sich in die verstoßene Magd. Und plötzlich bekam auch sie diese unstillbare Sehnsucht nach der Apfelbaumwiese, nach diesem Ort, an dem alles gut und richtig war, alles bunt und schön und freundlich. Und sie sah sich dort sitzen, und Heinz hatte seinen Kopf in ihrem Schoß. Und neben ihr saß Pater Nau und nahm einen Schluck aus der Weinkanne, bevor er sagte: «Das Leben ist ein Graus und die Erde ein Jammertal. Wie gut, dass wir nicht mehr dort sind.» Und ihre Mutter, die mit dem Kind spielte, lachte und nickte dazu und schnitt dann mit einem Messer den Kuchen.
    Sie war nicht überrascht, als der Allerweltsmann mit einem Male vor ihr stand und ihr aufmerksam ins Gesicht sah. Ihr Traum, der böse Mittagsalb, war Wirklichkeit geworden. Und so war es nur folgerichtig, dass der Mann nun vor ihr stand und sagte: «Ich wusste, dass Ihr wiederkommen würdet. Eure Zeit ist gekommen. Ich bin für Euch da. Ich bringe Euch hier weg, an einen Ort, an dem alles gut und richtig ist.»
    Und Hella nickte nur und sagte leise: «Ja, ich weiß.» Und dann griff sie die Hand des Mannes und ging einfach mit. Sie hatte Angst, das Herz schlug ihr bis in den Hals, aber sie wollte, sie musste Pater Nau retten. Und wenn das nur auf diesem Wege gehen sollte, dann musste es eben sein. Gott war mit ihr, da war sich Hella sicher. Und ebenso sicher war sie, dass nur der Mann der Mörder sein und nur seine Überführung den Pater retten konnte.
    Plötzlich setzte ihr Herzschlag für einen Augenblick aus. Was, wenn Heinz sie nicht gleich finden würde? Konnte sie wirklich darauf vertrauen, dass er die Büttel zum Verlies schicken und die Leute davor befragen würde?
    Sie blieb so abrupt stehen, dass der Allerweltsmann ins Stolpern geriet. «Was ist los?»
    «Ich …», stotterte Hella, «ich habe etwas vergessen. Etwas sehr Wichtiges.»
    «Was habt Ihr vergessen?»
    Hella schluckte. Ihre Gedanken rasten. Was sollte sie sagen?
    «Da im Verlies, da ist jemand, der mir nahesteht. Ich wollte ihm Gottes Segen wünschen. Für alles, was ihm bevorsteht.»
    Der Mann verzog den Mund. «Ins Verlies kommt Ihr jetzt nicht rein. Die Besuchszeit ist längst vorüber. Schließt den Euren in das Nachtgebet ein, das tut dieselbe Wirkung.»
    Er zog an ihrem Arm, aber Hella stemmte sich dagegen.
    «Nein», beharrte sie. «Wenigstens dem Wärter muss ich einen Gruß ausrichten, sonst kann ich nicht mit Euch gehen, so gern ich es auch möchte.»
    «Weiber!» Der Allerweltsmann schüttelte den Kopf und sah zum Verlies, das nur wenige Meter hinter ihnen lag. «Dann geht und tut, was Ihr tun müsst. Aber eilt Euch.»
    Hella nickte, rannte davon, klopfte an die Tür des Verlieses.
    Der Wärter öffnete brummig. «Sagt dem Richter Blettner, dass ich mitgegangen bin zum Schlächter. Und sagt ihm auch, dass die Frauen hier draußen sein Gesicht kennen. Sagt es ihm, versprecht es mir.»
    Der Wärter kniff die Augen zusammen und betrachtete Hella, als zweifle er an ihrem Verstand.
    «Versprecht es! Beim Leben Eurer Kinder.»
    «Na gut, wenn es so dringend ist. Ich verspreche es. Gleich nachher gehe ich zum Malefizamt.»
    «Wann?»
    Der Wärter sah zur Turmuhr. «In einer Stunde. Reicht Euch das?»
    Hella atmete auf. «Ja, das ist gut. Eine Stunde. Aber nicht länger. Und vergesst kein Wort von dem, was ich Euch gesagt habe.»

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 30
    J utta Hinterer schloss an diesem Nachmittag ihre Geldwechselstube viel früher ab als gewohnt, und das, obwohl die ersten Gäste, die zur Frühjahrsmesse kamen, bereits eingetroffen und begierig nach Frankfurter Geld waren.
    Sie eilte zum Stadttor, lief am Haus des Henkers vorbei, schaute nach links zum Frauenhaus, strich im Vorbeieilen einem Kind über den verlausten, grindigen Kopf und erreichte endlich die Kate am Ende der Gasse.
    «Minerva», rief sie. «Ich bin es, Jutta. Mach auf, schnell.»
    «Brennt es?», hörte sie von drinnen Minervas spöttische Stimme.
    «Schlimmer», schrie Jutta. «Alles steht in hellen Flammen. Jetzt mach schon auf.»
    Die Tür hatte sich noch nicht einen Spalt geöffnet, da drückte Jutta

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