Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
mit den Gräueltaten nichts zu tun hat. Du musst zum Schultheiß gehen und ihm klarmachen, dass er das Leben unseres Paters auf dem Gewissen hat, wenn er den Haftbefehl aufrechterhält.»
Heinz verzog den Mund. «Krafft von Elckershausen geht es nicht um Pater Nau, sondern um die Politik.»
«Ja. Genau. Und an dieser Stelle solltest du ihn packen. Erzähle ihm, was die Leute sagen werden, wenn herauskommt, dass er einen Unschuldigen im Verlies zu Tode hat kommen lassen.»
Heinz Blettner kaute auf seiner Unterlippe herum. «Vielleicht sollten wir mit ihm reden. Ich meine, vielleicht solltest du, Gustelies, mit ihm reden. Besser wäre es natürlich, wenn wir den Verdacht, der auf ihm ruht, noch ein bisschen entkräften könnten. Am allerbesten wäre natürlich ein neuer Verdächtiger.»
Gustelies atmete einmal tief durch, dann schlug sie das Tuch über ihrem Weidenkorb zurück und stellte das Töpfchen mit der roten Lattwerch auf den Tisch.
«Ich glaube nicht, dass sich der Schultheiß mit Erdbeerlattwerch bestechen lässt», meinte Heinz.
Auch Hella schüttelte ungläubig den Kopf.
«Der Meinung bin ich auch», erklärte Gustelies. «Aber das hier ist keine Erdbeerlattwerch, sondern eine Lattwerch aus Menschenblut.»
«Das ist was?», staunte Hella, und Heinz fragte: «Woher hast du dieses Töpfchen?»
«Gefunden», erklärte Gustelies. «Alles Weitere bespreche ich mit dem Schultheiß. Und zwar unter vier Augen.»
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Kapitel 28
N un, meine liebe Gustefried, was kann ich für Euch tun?» Krafft von Elckershausen versuchte vergeblich zu verbergen, dass ihm das Erscheinen der resoluten Frau ganz und gar nicht passte.
«Gustelies, Schultheiß, Gustelies Kurzweg.»
«Ach ja, verzeiht. Ein Mann in meinem Amte muss sich so viele Namen merken.»
Gustelies winkte großzügig ab. «Darüber reden wir ein andermal. Jetzt bin ich hier, um zu fragen, ob ich gleich rüber ins Verlies kann, um den Pater dort rauszuholen.»
Dem Schultheiß klappte die Kinnlade herunter. Er starrte Gustelies an, als hätte sie ihm vorgeschlagen, Frankfurt zu schleifen.
«Wie stellt Ihr Euch das vor, meine Liebe? Es gibt eine Haftanordnung.»
«Und die habt Ihr ausgestellt. Und jetzt schreibt Ihr eben eine Aufhebung der Anordnung.»
Der Schultheiß schüttelte den Kopf. «Das geht so nicht», erklärte er mit einem Anflug von Verzweiflung.
«Warum nicht?» Gustelies ließ nicht locker. «Ihr wisst so gut wie ich, dass der Pater unschuldig ist. Euch geht es um Politik, das habe ich begriffen.»
Krafft von Elckershausen lehnte sich zurück. «Dann wisst Ihr sicher auch, dass es dabei um mehr geht als um einen Menschen. Es geht um eine ganze Stadt voller Menschen. Wir haben beinahe zwanzigtausend Einwohner, um die wir uns kümmern müssen. Der Rat wird tagen. Am achtzehnten April wird das Schicksal der Stadt besiegelt. Ich kann den Pater jetzt nicht freilassen und so den Altgläubigen im Rat einen Vorteil verschaffen. Ich habe Vater Raphael in Haft für die Lutherischen. Entließe ich den Pater, so bräuchte ich einen neuen verbrecherischen Katholiken, um das Gleichgewicht nicht zu gefährden. Versteht Ihr?»
Gustelies schüttelte trotzig den Kopf.
«Na gut, wie solltet Ihr auch, Ihr seid schließlich nur ein Weib. Also bescheidet Euch mit meiner Auskunft, dass der Pater im Verlies bleibt. Und denkt daran, ich handle zum Wohle aller.»
«Und wenn der Pater stirbt? Er ist sehr krank. Jeden Tag kann das passieren. Und stellt Euch dann noch vor, es käme heraus, dass der Pater – wie Ihr ja bereits wisst – vollkommen unschuldig ist. Dann wird es heißen, der Schultheiß hat einen Altgläubigen zu Tode gebracht. Einen unschuldigen Katholiken habt Ihr dann auf dem Gewissen. Was, frage ich Euch, wird dann passieren, Schultheiß? Wird man Euch Eures Amtes entheben? Wird der Rat so erbost sein, dass er am Ende eine falsche Entscheidung trifft bei der Frage um die Religion der Stadt? Wollt Ihr all dies auf Euer Gewissen laden?»
Krafft von Elckershausen sah Gustelies an, als wäre sie das Jüngste Gericht.
«Was ist ein Mensch wert?», donnerte Gustelies sofort weiter. «Habt Ihr Euch darüber einmal Gedanken gemacht, Schultheiß? Wie wollt Ihr für zwanzigtausend Menschen sorgen, wenn Euch schon die Gesundheit eines Einzelnen gleichgültig ist?»
Der Schultheiß sackte ein wenig in seinem Lehnstuhl zusammen. «Weibergeschwätz», murmelte er. «Das ist bloß Weibergeschwätz.»
«So?» Gustelies kam dem
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