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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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keine Scherze, Trunkenbold! Ist Euch in dieser Nacht etwas aufgefallen? Habt Ihr wen gesehen?»
    Der Nachtwächter runzelte die Stirn, dann schüttelte er den Kopf. «Nichts anderes als sonst. An der Heilig-Geist-Pforte waren zwei Antonitermönche, aber die treffe ich oft dort. Und auf dem Friedhof habe ich die alte Seifensiederin gesehen. Die hockte dort vor einem leeren Grab und ließ ihre Tränen hineintropfen. Ach, und natürlich die Flussfischer, die gehören zur Nacht wie der Mond und die streunenden Katzen. Aber sonst?»
    Der Nachtwächter schüttelte den Kopf.
    «Und gehört? Habt Ihr was gehört?»
    Der Mann zeigte zum Himmel. «Bei dem Sturm? Da verstehe ich mein eigenes Wort kaum.»
    Jutta überlegte. «Wann wart Ihr in der Nähe des Verlieses?», fragte sie.
    «Einmal bei Einbruch der Nacht, und das nächste Mal werde ich im Morgengrauen dort sein. Kurz bevor die ersten Fuhrwerke aus der Wetterau das Stadttor passieren.»
    «Habt Ihr da wen gesehen? Beim Verlies, meine ich?»
    Der Wärter dachte nach, schwankte dabei leicht nach links und rechts.
    Gustelies platzte der Kragen. «Nachtwächter, ich sage Eurem Weib, dass Ihr die ganze Nacht sauft und rumhurt. Oder Ihr sprecht endlich!»
    Der Mann schluckte. Es war allgemein bekannt, dass die Seine mit der Bratpfanne schnell bei der Hand war. Sein Kopf zeigte
     mehr Dellen als ein alter Nachttopf.
    «Die Halunken streichen bei Nacht ums Verlies. Da sind die, die ihren Kumpanen Neuigkeiten zuraunen, und die anderen, die wissen wollen, wo die Beute versteckt ist. Manchmal ist auch eine von den losen Frauen da, die den Wärter schmiert, um ihren Liebsten noch einmal zu sehen, bevor er am Galgen baumelt.»
    «Ist einer da, den Ihr schon öfter gesehen habt?»
    Der Nachtwächter ließ die Öllampe in seiner Hand kreisen und schwankte den Kreisen hinterher. «Da ist … manchmal ist da … aber nein, das kann ein Trugbild sein … Nein, ich glaube, da ist sonst niemand.»
    «Ein Trugbild?», fragte Jutta. «Redet! Beschreibt das Trugbild.»
    Der Nachtwächter schüttelte den Kopf. «Das ist es ja eben. Mir ist, als wäre da jemand, aber ich kann mich bei Gott nicht an sein Aussehen erinnern. Als wäre er ein Geist oder ein Schatten oder so etwas.»
    Gustelies stieß den Nachtwächter leicht gegen die Brust, sodass der Mann gegen die Mauer taumelte. «Ihr seid vollgesoffen wie ein Fuhrknecht. Schlaft Euern Rausch aus. Morgen kommt zu mir und berichtet mir über das Trugbild. Habt Ihr verstanden?»
    Der Wärter kratzte trotzig mit dem Schuh auf dem Straßenpflaster herum und gab so zu verstehen, dass Gustelies ihm gar nichts zu befehlen hatte.
    «Wenn du bis Mittag nicht da gewesen bist, erzähle ich alles deinem Weib. Und besonders das, was ich nicht selbst gesehen habe, sondern mir nur denken kann. Vielleicht rede ich auch mal mit dem Richter. Was ist denn das für ein Nachtwächter, der die halbe Nacht in den Schänken hockt?»
    Der Wächter seufzte, warf Gustelies einen bitteren Blick zu. «Mittags komme ich. Frühestens. Ein Mann mit meinem Beruf braucht schließlich auch seinen Schlaf.»
    Mit diesen Worten schwankte er von dannen.

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Kapitel 34
    H ella saß in der Küche des Waldhauses und schlürfte einen heißen Kräutersud. Ihre Füße steckten in einem kleinen Zuber mit heißem Wasser, über ihren Schultern hing eine Decke.
    «Geht es Euch jetzt besser?», fragte der Jedermann.
    Hella nickte und sah ihm ins Gesicht. Sie starrte ihn an, als wolle sie ihn malen, doch sobald sie wieder wegsah, hatte sie
     sein Aussehen schon vergessen.
    «Was geschieht nun?», fragte sie.
    «Nun, wenn Euch überall warm ist, dann werde ich Euch ein Nachtlager bereiten. Ihr müsst erschöpft sein. Und Euer Kind braucht ebenfalls Ruhe.»
    «Das meine ich nicht. Was geschieht mit mir?»
    «Was immer Ihr wollt, wird geschehen.»
    «Heißt das, Ihr werdet für mich sorgen?»
    Der Jedermann schüttelte den Kopf. «Nein, das kann ich nicht. Das übersteigt meine geringen Mittel. Ich helfe Euch nur, das Kind zur Welt zu bringen. Mehr kann ich nicht tun.»
    «Aber dann, wenn das Kind da ist, was geschieht dann mit mir und dem Kind?»
    Der Mann lehnte sich so weit in seinem Stuhl zurück, dass Hella sein Gesicht im Schein der Öllampe nicht mehr erkennen konnte.
    «Was soll denn geschehen?», fragte der Mann mit weicher Stimme. «Was wünscht Ihr Euch denn?»
    Ich will nach Hause, dachte Hella. Ich möchte mein Kind in der Wiege schaukeln, ich möchte es im Arm

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