Die Verdammnis
Weise über kurz oder lang selbst seiner Nahrung beraubt. Denn auch jene, die unser Biß sterben und hernach zu anderem Leben auferstehen ließ, brauchten Blut zum Überleben; und tumb wie sie mitunter waren, nahmen sie es sich mit wesentlich weniger Vorsicht, als wir selbst es taten.
So brach ich den Weibern, mit denen ich nächtens das Lager teilte, stets den Hals und überließ die Toten der Strömung des Bosporus. Einmal, ich erinnere mich noch gut, beobachtete ich am Morgen, wie einem Fischer ein ganz besonderer Fang ins Netz ging. Das Entsetzen darüber mag der arme Teufel bis an sein Lebensende nicht vergessen haben .
Freilich blieb meine Ankunft in Konstantinopel nicht lange geheim. Sie verbreitete sich unter den Angehörigen der hiesigen Vampirsippe, und schließlich erfuhr auch deren Oberhaupt von meiner Anwesenheit.
Es dauerte nicht lange, bis er nach mir schicken ließ. Und er tat es auf eine Weise, die mir seine Ehrbezeugung bewies.
Zwar war das Fleisch der Botin seit langem kalt und tot, ihre Schönheit hatte dies indes nicht im mindesten beeinträchtigt. Ihr Schoß mochte kühl sein wie der Rest ihres noch immer herrlichen Leibes, aber es gab keinen Wunsch, den sie mir nicht von den Augen abgelesen hätte. Und an Wünschen mangelte es mir beileibe nicht! Im nachhinein scheint es mir in der Tat fast so, als hätte ich seinerzeit einen gewaltigen Nachholbedarf gehabt, was sexuelle Praktiken anging - und ich hatte in dieser einen Nacht gewaltig aufgeholt!
Anderntags führte mich die Dienerin, deren Namen ich längst ver-gessen habe, zu ihrem Herrn. Er residierte in einem herrschaftlichen Haus, das wie zur Verhöhnung menschlicher Religion vom Schatten einer Moschee berührt wurde.
Kayel empfing mich inmitten dampfender Schwaden in einem tongefliesten Raum, der in seiner Größe gewiß mit der Moschee nebenan konkurrieren konnte. Wir gaben uns stundenlang allen Vorzügen dieses Raumes hin, in dem es buchstäblich an nichts mangelte, was unserer Rasse zur Sinnesfreude gereichte, ehe wir auf den Grund meines Besuchs zu sprechen kamen.
»Die Zahl der meinen ist gesunken seit deinem letzten Besuch«, sagte Kayel schließlich.
Auch er ließ sich von der Maske des Hüters täuschen, vermutete noch immer den gleichen in diesem höchsten Amt unseres Volkes. Nun, wie auch hätte er die Tarnung durchschauen sollen? Die Maske lag einer zweiten Haut gleich über meinem wahren Gesicht und verlieh mir die Züge jenes Hohen, der den Gral vor mir verwaltet hatte. Und, wie gesagt, zu jener Zeit war mir nicht bewußt, daß dies meine erste Einkehr bei Kayel war.
»Wurde man denn auf eure Herrschaft über die Stadt aufmerksam?« fragte ich, ein klein wenig alarmiert. Denn es war nicht nur Aufgabe des Hüters, mit dem Kelch neuen Nachwuchs zu schaffen, sondern auch darüber zu wachen, daß keine Sippe oder einzelne Vampire durch eigenmächtiges Handeln das Geheimnis unserer Existenz gefährdeten.
Doch Kayel winkte ab.
»Die üblichen Probleme«, wiegelte er ab. »Es wird immer den einen oder anderen Heißsporn in unseren Reihen geben, der leichtsinnig ist und sich allzu weit vorwagt. Sie verstehen nicht, daß Langlebigkeit und Unsterblichkeit zwei verschiedene Dinge sind -und bezahlen ihre Unfähigkeit zu begreifen mit dem Leben.«
Ich nickte mürrisch.
»Ja, solche Narren wird es immer wieder geben«, wagte ich da-mals zu sagen.
Oh, wie höhnisch scheinen mir diese meine eigenen Worte heute! Denn ich selbst wurde schließlich zum größten dieser Narren! Damals jedoch lag dieser Zeitpunkt noch tausend Jahre in der Zukunft Kayel nannte mir die Zahl neuer Kinder, die ich mit dem Kelch taufen sollte. Ich handelte ihn noch ein wenig herab - zum einen, weil Kayel das Feilschen selbst noch im schwarzen Blute lag, zum anderen, weil ich keine Sippe der Welt über Gebühr vergrößern durfte. Die Zahl ihrer Mitglieder mußte der Größe einer Stadt angepaßt sein, damit ihr Dasein den Sterblichen nicht auffallen konnte.
»Nun gut«, gab Kayel sich schließlich zufrieden. »Ich werde umgehend veranlassen, daß man nach dieser Zahl von Kindern sucht und sie herbeischafft.«
Er klatschte in die Hände, woraufhin zwei Vampire herbeieilten. Kayel erteilte seinen Auftrag, dann entließ er die beiden.
»Ich denke, heute Nacht dürfte alles für die Taufe bereit sein«, sagte er dann. »Bis dahin«, er beschrieb mit der Hand einen Halbkreis, »fühle dich wie daheim in meinem Hause.«
Ich nickte lächelnd. Und winkte ein
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