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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Andreas zurück. Knurrend zog er sich in sein großes, noch nicht eingerichtetes Haus zurück, lehnte sich an den kalten, gewaltigen Ofen aus Flußsteinen und kaute an der Unterlippe.
    Nadeshna in Weiß, mit einem langen Schleier … und die Glocken läuteten, und der Chor sang, und der Pope empfing sie an der Kirchentür mit erhobenen Händen.
    Welch ein Tag!
    Der Millionär Igor Fillipowitsch Putkin heiratet –
    Das war der eine Putkin. Der andere kam am nächsten Tag zum Vorschein. Dieser giftige Zwillingsbruder seiner Seele.
    Putkin tappte mit fellumwickelten Stiefeln über das glatte Eis des Flusses und sah nach seinem Denkmal General Serikow.
    Der Sturm hatte Serikow nicht umgeweht, dazu stand er zu vereist und wie mit dem Stamm, an dem er lehnte, verwachsen – aber das Schneetreiben hatte ihm arg zugesetzt, nur sein Kopf ragte stolz aus einer Schneewehe heraus. Darunter türmte sich eine weiße Pyramide.
    Putkin legte in einer Arbeit von drei Stunden den General frei, klopfte die Uniform ab, brach die Eiszapfen weg, säuberte ihn gründlich, bis er wieder mit glänzender Uniform in der kalten Sonne stand, die rechte Hand an die Mütze gedrückt.
    »Nie vergessen!« sagte Putkin zu dem schrecklichen Standbild. »Ich bin ein Kommunist, und du warst ein Kommunist. Aber uns trennt vieles. Ich hatte einen Vater, General, jeder anständige Mensch hat einen Vater. Und ich habe ihn geliebt, verehrt, er war mein Vorbild, ein Parteigenosse, von 1925 an! Er zog in den Großen Vaterländischen Krieg, und als er ausrückte mit seinem Bataillon, lief ich neben ihm her und schwenkte rote Fähnchen. Wie stolz waren wir, General! Aber dann hatte mein Vater das Unglück, in deutsche Kriegsgefangenschaft zu geraten, und als er 1945 zurückkam, war er sehr still, sah sich alles an in unserem Dorf, fuhr in die Stadt, sah sich dort um und kam noch stiller zurück. Und dann sagte er zu den anderen im Dorf: ›Genossen, wir haben ein ganz falsches Bild vom Westen. Ich habe drei Jahre in Deutschland gelebt, im Ruhrgebiet, in einem Bergwerk bei Rheinhausen. Ich habe viel gesehen … der Kommunismus ist eine schöne Sache, nur glaube ich, wir denken zu sehr um die Ecke.‹ Vier Tage später holten sie ihn ab. NKWD-Männer mit ihren grünen Schirmmützen. Du kennst sie ja, General. Und es gab gar keinen Prozeß … irgendeiner sagte zu meinem Vater: ›Du Defaitist! 25 Jahre Straflager!‹ Und mein Vater kam weg, keiner weiß, wohin, keiner hat mehr von ihm gehört, er ist einfach verschwunden. Ausgelöscht. Ich frage dich nun, General: Kannst du verstehen, daß mir beim Anblick einer Uniform das Blut unter den Haaren brodelt? Auch wenn ich später in der Roten Armee Sergeant wurde … als ich die Uniform endlich ausziehen durfte, habe ich sie erst bepißt und dann auf der Kammer wieder abgegeben. So ist das, General.«
    Er ging ein paar Schritte zurück, marschierte dann an dem toten Serikow vorbei, grüßte stramm und trottete zurück über den Fluß in sein großes, dunkles Haus.
    Nach zehn Tagen, wie versprochen, hatte Putkin seinen ›Kreml‹ eingerichtet. Die Einweihung konnte stattfinden. Nadeshna hatte schon zwei Tage vorher gebacken und gebraten, die Susskaja wollte eine Felldecke schenken, Morotzkij schmückte seine Elchkuh Maruta wie einen Pfingstochsen mit Bändern und selbstgedrehten Papierblumen … es sollte ein wirkliches Fest werden, weil niemand ahnte, was die Fertigstellung des Hauses für Nadeshna und Putkin bedeutete. Nur Andreas wußte es, aber er schwieg, sogar gegenüber Katja.
    Es war am Vorabend des großen Tages, als Putkin die Gelegenheit wahrnahm, daß Morotzkij wieder mit seiner Maruta Reitübungen veranstaltete. Er zog Nadeshna, die in der Nähe herumstrich wie eine Katze, die Baldrian riecht, mit einem Ruck ins Haus und preßte sie an sich. Sein Atem rasselte in der Brust, die Sehnsucht sprengte ihn fast auseinander. Er schloß seine mächtigen Hände um Nadeshnas Blondkopf und hob ihr schmales Gesicht zu sich empor.
    »Sag es ihm –«, stammelte er mit schwerer Zunge. »Nadjenka, sag es ihm … Er muß es endlich wissen.«
    »Was soll er wissen?« fragte die Abramowa.
    »Daß wir uns lieben, zum Teufel! Daß wir zusammenbleiben werden! Daß ich dich heiraten werde … o Himmel, ja, vor einem Popen sogar.«
    »Werden wir das?« sagte Nadeshna. Und plötzlich lachte sie, lachte Putkin in das riesige, bärtige Gesicht und entwand sich seinen Händen. »Werden wir das?« lachte sie schallend. »Heiraten?

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