Die Verdammten der Taiga
in der Ohnmacht klappert sie noch mit den Zähnen. Heute abend wird sie hohes Fieber haben. Und das alles von nichts? Putkin, was haben Sie mit Nadeshna gemacht?«
»Ich schwöre Ihnen, Katja Alexandrowna …« Putkin hob den Kopf. Diese Augen, diese traurigen Kinderaugen! Die Susskaja senkte das Gewehr. »Nadeshna strich hier herum, ich holte sie rein, zeigte ihr das Haus … hier, den zum Anheizen hergerichteten Ofen, das Bett, die ›schöne Ecke‹ … sie hätte ihre Maria da aufhängen können, ihren geschnitzten heiligen Josef und die Könige und das Jesuskind und alles, alles, was sie wollte … Katja, ich habe dieses Haus doch für sie gebaut …«
»Ich weiß es, Igor Fillipowitsch.«
»Und ich sage zu ihr: ›Ich will dich heiraten, gesteh es endlich dem Semjon Pawlowitsch …‹, und was tut sie? Sie lacht mich aus. Lacht, daß mir die Ohren dröhnen, daß mein Herz zersplittert, daß meine Knochen aufweichen. Sie lacht, Katja Alexandrowna … noch nie habe ich einen Menschen so grausam lachen hören!« Er nickte mehrmals und senkte wieder den Kopf. »Und so sitze ich nun da. Ein ausgelachter Idiot. Ein verprügelter Narr. Und Sie werden auch lachen, wenn ich Ihnen sage, wie sehr ich Nadeshna liebe …«
»Ich lache nicht, Igor Fillipowitsch.«
»Gut. Dann bedauern Sie mich. Das ist fast noch schlimmer. Mitleid mit einer Vase, die für eine Rose geschaffen ist, aber in die man jetzt hineingeschissen hat. Mehr bin ich nicht mehr, Katja Alexandrowna. Ein leeres Gefäß. Machen Sie ein Ende: Zerschießen Sie dieses unnütze Möbel!«
»Haben Sie wirklich geglaubt, Nadeshna zu besitzen?« fragte die Susskaja. Sie betrachtete den völlig zerbrochenen Putkin und begriff, wie groß dieser Schlag gewesen sein mußte, daß er einen Mann wie Putkin so demoralisierte. Was niemand geschafft hätte, kein Eissturm, kein Frost, keine Wanderung durch die Taiga, niemals ein Mann oder die Anstrengungen und Entbehrungen bei den Ölbohrungen in Sibirien … ein zarter, blonder Engel, ein weißhäutiges Körperchen wie Nadeshna hieb Putkin von den Füßen.
»Ja –«, sagte Putkin langsam. Selbst seine Zunge schien wie gelähmt. »Wenn sie nachts über mich kroch –«
»Nadeshna?« fragte die Susskaja baß erstaunt.
»Wer sonst? Ihr habt es alle nicht gemerkt, ihr habt geschlafen wie die Biber. Vierzehnmal war sie bei mir. Oh, ich habe jede Zahl vor mich hergebetet … neun … zehn … elf … Ich habe damit die Stämme bearbeitet: Morgen ist es zwölfmal! Morgen ist es zwölfmal! – Es hat dem Haus gut getan, es ist ein großes, schönes Haus geworden. So schnell ist es emporgewachsen. Morgen ist es dreizehn! Dreizehn. Dreizehn! Das war meine ganze Kraft!« Er rutschte zur Seite und zeigte auf den gewaltigen Ofen aus Flußsteinen. Es waren ausgesuchte Brocken aus Gneis und Basalt. »Blicken Sie genau hin, Katja Alexandrowna. Die größten, schönsten Steine haben Kerben. Hier: zwei Kerben. Dort: vier Kerben. Für jede Nacht mit Nadeshna einen Gedenkstein in unserem Ofen. Ein Kalender der Liebe. Aber war es Liebe? Sie steht da und lacht mich aus! Schöne Frau, ich habe keine Kraft mehr –«
»Wir sprechen noch darüber, Putkin«, sagte die Susskaja. Sie zögerte, aber dann trat sie nahe an ihn heran und fuhr ihm mit der Hand durch die krausen, struppigen, dreckigen Haare.
Er zuckte zusammen, warf den Kopf in den Nacken, schlug ihre Hand weg, ergriff sie dann wieder und drückte sie an seine wulstigen Lippen. Plötzlich wurde der Handrücken naß, und durch das Herz der Susskaja brannte sich eine Flamme.
Putkin weinte. Das war unbegreiflich, aber dennoch Tatsache. Er behielt Katjas Hand an seinen Lippen, seine Tränen tropften über ihren Handrücken, die breiten, bärenähnlichen Schultern zuckten, kein Laut kam aus ihm heraus, er weinte still und einsam über diese Frauenhand, die ihn gestreichelt hatte und die ihn verstand.
»Morgen ist alles vorbei, Igor Fillipowitsch –«, sagte die Susskaja leise und voller mütterlicher Sanftheit. »Wir weihen das Haus ein …«
»Ich sprenge es mit mir in die Luft, Katjenka …«, stammelte Putkin über ihrer Hand. Er war völlig am Ende, ein Mensch ohne Lebenswillen.
»Dazu fehlt Ihnen das Dynamit.«
»Ich stecke es an. Ich übergieße es mit Serikows Benzin.«
»Und sich selbst auch.«
»Ja.«
»Sie haben keine Anlagen, ein buddhistischer Mönch zu werden, Igor Fillipowitsch. Seien Sie doch kein Idiot! Sie geben einer Frau wegen auf?«
»Es gibt nichts auf
Weitere Kostenlose Bücher