Die Verdammten der Taiga
Fluß, aus dem Katja gerade herauskam.
»Andrej!« schrie sie und breitete die Arme aus. »Du hast sie … du hast Amalja … O Andrej – Andrej …«
Sie liefen sich entgegen, blieben kurz voreinander stehen, warfen sich dann herum und flüchteten zurück in den Fluß. Bis zum Hals wateten sie hinein, das Kind über ihre Köpfe tragend, aber auch hier erfaßte sie der Glutatem; so weit sie sehen konnten, bis zu dem Felsental und auf der anderen Seite bis zu der großen Flußkrümmung, gab es nur noch eine Feuerwand, ein einziges Zischen und Prasseln, Zerbersten und Flammenrauschen, sie sahen keinen Himmel mehr, denn wo einmal der Himmel gewesen war, leuchtete nur rote Glut und zogen feurige Nebel träge über den Fluß.
Plötzlich war Putkin neben ihnen, ein Monstrum aus Ruß, Asche, Blut und Haaren.
»Wir müssen zu der verdammten Steininsel!« rief er. »Hier braten wir im Wasser! Nur in der Mitte des Flusses sind wir sicher.« Er griff nach oben, nahm Amalja aus Andreas' Händen und drückte sie Katja auf den Kopf. »Halt sie fest!« sagte er dabei. »Ganz fest. Die Strömung ist stark. Aber ich habe eine Stelle gefunden, wo man zwischen den Steinen stehen kann und nicht weggeschwemmt wird.«
Er schwamm voraus, mit kräftigen Armzügen und einem Schlagen der Beine, als könne er den Fluß und seine Strömung aus der Richtung treten. Als er die Stelle gefunden hatte, schwamm er zurück, nahm der Susskaja das Kind ab und hielt es hoch über seinen Kopf, legte es dann auf die glatte Felsenkuppel mitten im strudelnden Wasser und wartete, bis Katja ihn erreicht hatte.
»Hier«, sagte er. »Hier kannst du stehen. Klemm dich mit dem Rücken in den Spalt und halt das Kind immer auf dem Felsen fest.« Die Strömung packte sie, das Wasser schäumte um die kleine Steininsel und spritzte über Katja und das Deckenbündel mit dem Säugling. »Es wird nicht ersaufen«, keuchte Putkin, als Katja ihn stumm aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. Sie war unfähig, noch zu sprechen … der Anblick des bis zum Himmel lodernden Waldes brannte auch ihre Stimme weg. »Halt es nur immer fest, laß es nicht herunterrutschen.«
»Wo … wo ist Andrej …«, sagte die Susskaja kaum hörbar. Das Prasseln der Flammen und das gurgelnde Rauschen des Flusses übertönten alles. Aber Putkin las ihr die Frage von den Lippen ab.
»Zurück zum Flugzeug!« rief er.
»Was ist er?« Diesen Schrei hörte er … »Igor, das hast du nicht verhindert?« Sie wollte sich herumwerfen, aber Putkin drückte sie in den schützenden Felsenspalt zurück.
»Bleib stehen, du schwarzes Luder!« rief er. »Ich schwimme ihm nach. Soll das Flugzeug auch verbrennen? Wir werden versuchen, es hierher zu ziehen.«
»Gegen die Strömung?«
Ein neuer Wasserschwall ergoß sich über die Susskaja. Sie fragte nicht mehr, umklammerte ihr Kind, hielt es auf dem Steinbuckel fest und drückte den Kopf gegen die Oberarme. So blieb sie stehen, von den Strudeln umquirlt, mit den Schultern gerade aus der Strömung ragend, aber es war kühl, die von der Glut ausgetrocknete Haut schien sich vollzusaugen. Sie fühlte, wie neue Kraft in sie hineinfloß. Eine herrliche Kühle, die begann, ihr ein falsches Bild von Hoffnung und Rettung vorzugaukeln, und sie dachte, so wie eine Platte mit einem Riß immer das gleiche Wort abspielt, nur noch: Ich lebe … ich lebe … ich lebe … Amalja lebt … Andrej lebt … wir leben … leben … leben …
Um sie herum verendete die Taiga mit einem Gebrüll von Lauten, wie es nur die Natur ausstoßen kann.
Es war ein Kampf gegen den Fluß, der sie völlig auslaugte.
Auf den schwankenden hölzernen Schwimmern, die Andreas montiert hatte, drückten Putkin und Andreas das Flugzeug gegen die Strömung zur Insel. Solange sie im seichten Wasser blieben, gewannen sie einige gute Meter. Aber hier traf sie die Glut des brennenden Waldes, der feurige Hauch lag auf ihnen wie ein heißes Tuch, das die Haut versengt, sie rangen nach Luft, tauchten die Köpfe in den Fluß, kühlten sich ab und stemmten sich dann erneut gegen Glut und strömendes Wasser.
Je weiter sie aber in den Fluß hineinkamen, um so härter packte sie die Strömung, das Flugzeug tanzte herum, drehte sich zur Seite, schwankte wie ein Betrunkener und drückte sie immer wieder unter Wasser. Putkin hing nach kurzer Zeit an seinem Schwimmer, spuckte ihn an, hieb mit der Faust darauf und brüllte: »Du Hurenaas! Vor den Flammen sind wir sicher, sollen wir jetzt im Fluß
Weitere Kostenlose Bücher