Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihm ein Hosenknopf fehlte. Nur ein Hosenknopf! Verstehen wir uns, Pope?«
    »Alles Leben liegt in Gottes Hand«, sagte Kyrill fromm. »Wer beten kann … Töchterchen!« Er sah die Susskaja an. »Noch ein Schlückchen?«
    Putkin wollte zugreifen, aber Kyrills Faust war schneller und krachte auf Putkins Unterarm. Es gab einen häßlichen, knirschenden Laut, und die Susskaja dachte: Jetzt hat er ihm Elle und Speiche gebrochen. Man muß eingreifen, sonst bringen sie sich tatsächlich gegenseitig um.
    Aber Putkin blieb friedlich. Er klapperte nur schaurig mit den Zähnen, seine Augenhöhlen röteten sich wieder, er sah gefährlicher aus als ein sich duckender, fauchender Tiger, und dann fragte er mit tonloser Stimme, denn soviel Wut im Leib brennt alles weg:
    »Was heißt beten?«
    Kyrill Jegorowitsch schielte über den Flaschenhals zu ihm hinüber.
    »Du willst tatsächlich?«
    »Ja!« brüllte Putkin auf.
    »Das genügt.« Er schob die Flasche ganz zu Putkin hin. »Trink, mein Söhnchen. Es ist genug, wenn du spürst, daß man an Gott nicht vorübergehen kann …«
    Putkin nahm fürchterliche Rache für diese fatale Niederlage: Er soff die ganze Flasche aus. Ohne abzusetzen, durch die Nase schnaubend wie ein Nilpferd, mit einem Kehlkopf, der bei jedem Schluck auf und nieder hüpfte wie der Ansaugkolben einer Pumpe.
    Niemand hielt ihn auf, denn dann wäre es wirklich zu einem Mord gekommen. Erst als Putkin die Flasche wieder absetzte, mit halbirrem Blick um sich stierte und die Flasche dann an die Wand warf, wo sie zerplatzte wie eine Handgranate, atmeten alle auf, sogar Kyrill Jegorowitsch.
    »Welch eine Bande!« sagte Putkin heiser. »Aber ich notiere es mir. Hier, das ist mein Notizbuch, das nichts vergißt.« Er klopfte mit den Fäusten gegen seinen struppigen Kopf. »Ich stunde euch nur die Zahlungen. Einmal kommt der Tag, wo ihr vor euren Rechnungen heulen werdet –«
    Er kletterte wieder auf die Ofenplattform, schlief sofort ein und begann röchelnd zu schnarchen.
    »Warum haben Sie das getan, Väterchen?« fragte die Susskaja ernst. »Er hat Ihnen das Leben gerettet.«
    »Aber er hat gestern in der Kirche das Bild des heiligen Stephanus angespuckt«, antwortete Kyrill und erhob sich würdevoll. »Jetzt sind wir quitt. Auge um Auge, Zahn um Zahn, heißt es in der Bibel. Schlaft gut.«
    Er kletterte auch auf den Ofen, legte sich neben Putkin, deckte diesen sogar mit einem Leinentuch zu und fiel nach wenigen Minuten in Putkins Schnarchen ein. Man hätte sie für Vater und Sohn halten können …
    Nach vierzehn Tagen war man soweit, den Weg nach Süden wieder anzutreten.
    Andreas und Putkin hatten für alle Skier hergestellt, Morotzkij hatte unter Anleitung von Kyrill das Flechten von tungusischen Schneeschuhen erlernt, und Nadeshna bewies mit viel Talent, daß eine Lehrerin auch eine vorzügliche Köchin sein kann. Sie briet die besten Blinis, die Putkin je gegessen hatte, kochte aus Eiern, Kohl, Fleischstückchen und saurem Rahm einen Rosolnik, daß sich Putkin an diesem Tag überfraß und Magenschmerzen bekam, und konnte Pasteten aus Hasenfleisch herstellen, bei denen Kyrill sich zurückhalten mußte, damit er sie nicht segnete.
    Katja Alexandrowna ging auf die Jagd.
    Es zeigte sich, daß sie nicht übertrieben hatte: Sie traf mit jedem Schuß, sie verschenkte keine Munition. Als sie einmal einen Schneehasen und kurz darauf einen Wolf erschoß, obgleich beide mit Hakensprüngen flüchteten, sagte Putkin zu ihr:
    »Katja, mich hat noch keine Frau in die Knie gezwungen, aber Ihnen könnte ich aus der Hand fressen wie ein Hündchen. Wer sind Sie wirklich? Wir sind jetzt allein, und was wir reden, bleibt in dieser Brust wie in einem meterdicken Tresor. Sagen Sie was, Katja Alexandrowna.«
    »Ich habe nichts zu sagen, Igor Fillipowitsch«, antwortete die Susskaja. Es klang so verteufelt ehrlich, daß Putkin es fast glauben wollte.
    »Andrej! Lieben Sie Andrej wirklich?«
    »Gibt es einen Tag ohne Sonne?«
    »Warum lieben Sie ihn?«
    »Wer kann so etwas erklären? Finden Sie Worte für das Wunder, warum aus einem staubfeinen Korn eine herrliche, große, leuchtende Blume wird …?«
    »Aber als Sie in Suchana ins Flugzeug stiegen, kannten Sie Andrej noch gar nicht.«
    »Ich hatte ihn einmal gesehen und in einer Gruppe gesprochen. Das war alles, ja. Bei einer Führung durch unser Hospital.«
    »Zum Teufel, und das genügte Ihnen?« Putkin kratzte sich die Nase. »Sie sind ihm nachgelaufen, was? Sie haben sich in den

Weitere Kostenlose Bücher