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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hospital will ich sprechen. Lassen Sie den Chefarzt aus dem Bett holen, wenn er schon drin liegt. Nehmen Sie keine Ausreden an, Krendelew … ich verlange den Chefarzt!«
    Es dauerte zehn Minuten, dann war die Sprechfunkverbindung mit Suchana hergestellt. Auch der Chefarzt war verfügbar. Serikow hörte seine Stimme verzerrt und quäkend im Lautsprecher.
    »Lew Diogenowitsch, ich muß Sie etwas fragen –«, sagte Serikow in das Mikrofon. »Und ich verlange von Ihnen als Freund eine ehrliche Antwort: Was war mit Katja Alexandrowna los?«
    »Nichts, Waska Janisowitsch.«
    »Sie lügen, mein Freund. Sie lügen bestialisch. Warum hat sie ihren Posten bei Ihnen aufgegeben, von heute auf morgen? Warum flog sie mit diesem Flugzeug nach Wiljuisk und wollte weiter nach Irkutsk? Sagen Sie mir den Grund, warum Katja plötzlich Suchana verlassen hat!«
    »Es gibt keinen Grund.«
    »Lew Diogenowitsch, halten Sie mich für einen speichelnden Trottel? Katja muß Ihnen gegenüber doch einen Entlassungsgrund angegeben haben. Oder laufen bei Ihnen die Ärzte weg, wann sie wollen?«
    In Suchana war Stille. Serikow spürte förmlich auf seiner Haut, wie der Chefarzt nach Worten suchte. Dann quäkte wieder die Stimme aus dem Lautsprecher.
    »Es tut mir leid, Waska Janisowitsch … Es war ein Mann –«
    »Ein – Mann –?« Serikow umklammerte mit beiden Händen das Funkgerät. »Was für ein Mann?«
    »Ein Bergbau-Ingenieur. Katja lernte ihn hier im Hospital kennen, als man ihm vorführte, wie modern ein sibirisches Hospital eingerichtet ist, trotzdem es nördlich des Polarkreises liegt. Da denkt man immer, dort oben hört die Welt auf. Wir beweisen: Bei uns fängt sie neu an!«
    »Keine Propagandasprüche, Lew, bitte nicht.« Serikow drückte die Stirn gegen die Bespannung des Lautsprechers. Er spürte, wie er zitterte. Katjuschka und ein anderer Mann. Mit ihm fliegt sie weg, verläßt ihren Posten, verrät ihre Pflicht. Was ist das für ein Mann? »Den Namen –«, sagte Serikow rauh. »Lew, nennen Sie mir den Namen dieses Mannes …«
    »Andreas Herr hieß er.«
    »Andreas Herr? Wieso?«
    »Ein Gast aus Deutschland, Waska Janisowitsch.« Die ferne Stimme wurde leiser, fast bedrückt. »Man kann so etwas nicht verhindern, Waska. Man kann alles in eine rote Fahne wickeln, nur das Herz nicht –«
    Serikow schaltete ab. Er starrte auf das Funkgerät, und der Name Andreas Herr brannte in ihm wie damals der deutsche Granatsplitter in seinem Rücken. In einem Erdloch bei Roslawl … er wäre fast ein Krüppel geworden.
    Serikow erhob sich. Er wirkte müde und alt.
    »Warum haben wir 1945 nicht alle Deutschen umgebracht!« sagte er halblaut. »Alle, alle Deutschen!«
    Dann stieß er das Funkgerät vom Tisch, zertrat es und verließ als Greis den Raum. In ihm war es kalt und tot wie draußen die Taiga.

VIII.
    Keiner soll sagen, Putkin sei nichts anderes als ein grober Klotz oder Sack, vollgestopft mit unflätigen und obszönen Redensarten. Er bewies das, als er seinen Widersacher Kyrill Jegorowitsch aus dem Fluß zog und nicht einfach ersaufen ließ, was die einfachste Art gewesen wäre, sich Ruhe vor ihm zu verschaffen.
    Kirsta hatte sich nämlich vorgenommen, Putkin zu bekehren, und verfolgte dieses Ziel mit dem heiligen Eifer aller Missionare. Nur fehlte Kyrill die Praxis und deshalb die gebotene Vorsicht, denn Putkin war, einmal mit Gott konfrontiert, gefährlicher als ein neuseeländischer Kannibale.
    Fünf Tage trommelte Kyrill auf Putkin herum, hängte sich an seinen Rockschoß und ging singend und betend hinter ihm her, weckte ihn nachts, auch wenn er zwischen Andreas und Morotzkij lag, und forderte ihn auf, Gott zu erkennen, bis Putkin brüllend den ersten Knüppel ergriff und nicht Kyrill verprügelte, sondern die ›schöne Ecke‹ zertrümmerte. Er wurde dafür von Nadeshna in blinder Rachsucht angespuckt, was zwar einer Lehrerin unwürdig war, aber bei Putkin waren gesellschaftliche Formen nicht angebracht.
    Bis dann die Sache passierte, daß der ›heilige Kyrill‹, wie Putkin den Taiga-Mönch nannte, bei dem Versuch, einen dicken Hecht aus dem Fluß zu ziehen, selbst in die eisigen Wellen stürzte und sofort unterging. Die Strömung war stark, riß Kyrill mit sich fort und drückte ihn unter die feste Platte des Eises.
    Putkin und Andreas, die dabei waren, aus einem Brett einen Ski zu hobeln, sahen nur noch, wie der Pelzberg ins Wasser kippte und versank. Es war, als habe man einen Fleck von dem Weiß des Eises

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