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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trinken. »Igor Fillipowitsch, seien Sie kein böses Kind! Soll der verdammte Fluß Sie ins Grab bringen?«
    So lagen die beiden Fleischberge nun auf dem Ofen, schwitzten um die Wette und schielten sich gegenseitig an.
    »Christus sei Dank –«, sagte Kyrill fromm. Putkin richtete sich auf und schlug sich auf die dicken, schweißnassen Schenkel.
    »Weiß jemand, ob ich Christus heiße?« bellte er. »Hat einer von euch Christus am Fluß gesehen? Ist er getaucht?«
    Dann fiel er zurück auf die Plattform und schwitzte weiter.
    So ein russischer Bauernofen – das muß man wissen – ist eine schöne Sache. In einer Ecke steht er, meistens gemauert, breit und tief und so hoch, daß zwischen Zimmerdecke und glatt geputztem, ebenem Ofendach genug Platz bleibt, sich dort häuslich einzurichten. Kommt der Winter, zieht die Familie zum Schlafen um … dann liegt alles, was im Haus wohnt, oben auf dem Ofen, warm und wohlig. Und wenn draußen der Schneesturm heult, das Haus bis zum Dachsims zugeweht wird und nur noch der Schornstein aus dem Schnee ragt, kann man sich räkeln und seine Knochen durchwärmen lassen. Ein schrecklicher sibirischer Winter? Nicht, wenn man auf einem Ofen liegt. Hier oben ist der schönste Platz der Welt.
    Am Abend waren sich Kyrill und Putkin zum erstenmal einig. Sie behaupteten gemeinsam, genug geschwitzt zu haben, kletterten vom Ofen, und Kyrill Jegorowitsch kramte aus einer Truhe eine große Flasche hervor, entkorkte sie und schnupperte daran. Ein scharfer, unverkennbarer Duft zog durch die heiße Stube. Putkin trommelte mit den dicken Fingern auf die Tischplatte.
    »Was ist es?« fragte er ganz unnötig. Man roch es genau.
    »Branntwein!« sagte Kyrill stolz. »Kronsbeerenschnaps, selbst gebrannt. Ein Höllenwässerchen! Aber wir leben ja, um die Hölle zu vertilgen.« Er setzte sich, wischte über den Flaschenhals, hob die Flasche an die Lippen und tat einen tiefen Schluck. Als er sie wieder absetzte, rülpste er zufrieden und steckte den Korken wieder auf. Putkin starrte ihn verwirrt an.
    »He, was soll das?« fragte er. »Wie behandelst du deine Gäste? Laß die Flasche herumgehen, Pope!«
    Kyrill Jegorowitsch blickte über Putkin hinweg gegen die Wand, wo wieder die reparierte Ikone mit dem Ewigen Licht hing. »Nur der vernichtet die Hölle, der stark ist im Gebet«, sagte er feierlich. Dann blickte er die Susskaja an und entkorkte die Flasche. Der Duft, der ihr entflog, war herrlich und streichelte Putkins zuckende Nase. »Töchterchen, kannst du beten?«
    »Ja, Väterchen«, sagte Katja Alexandrowna.
    »Dann nimm ein Schlückchen.«
    Die Susskaja trank. Kyrill sah Andreas an. »Und du, mein Sohn?«
    »Ich auch.«
    »Dann nimm ein Schlückchen.«
    So ging es weiter, über Morotzkij zu Nadeshna, die ebenfalls die Flasche an die Lippen setzte und nicht einmal hustete, als der scharfe Schnaps durch ihre Kehle rann. Sieh an, dachte Putkin innerlich knirschend, sieh an! Schleppt heimlich Priester ein, verteilt Bibeln, unterhöhlt unseren schönen Staat … aber saufen kann sie wie ein Fuhrknecht! Sogar der blöde Benerian bekam einen Schluck … er nuckelte an der Flasche wie ein Säugling an einem Schnuller.
    »Das war's«, sagte Kyrill feierlich und nahm die Flasche wieder an sich. Putkins Augen wurden weit und drangen fast aus den Höhlen.
    »Und ich?« fragte er rauh.
    »Kannst du beten, mein Söhnchen?«
    »Gebt mir ein Beil her, dann schlage ich ihm ein Kreuz über den Schädel!« schrie Putkin. »Kyrill Jegorowitsch, treib es nicht zu weit mit mir!«
    Der Pope stellte die offene Flasche vor sich auf den Tisch, so nahe an Putkins Kinn, daß der würzige Branntweingeruch den direkten Weg durch die Nase zum Gehirn nehmen konnte. Es war eine Gemeinheit, das muß man sagen, eine wahre Quälerei, ein glatter Sadismus … aber wer konnte etwas dagegen tun? Kyrills Fäuste lagen neben der Flasche, und sie waren ebenso groß wie die Fäuste von Putkin. Wenn sie aufeinanderprallten, würde es ein völlig offener Kampf werden.
    »Nur wer beten kann –«, sagte Kyrill ruhig.
    Putkin starrte hilflos um sich. Die anderen lächelten ihn an, waren vollgestopft mit Schadenfreude und lauerten auf das Ende dieser Kraftprobe wie auf den Ausgang eines Hahnenkampfes.
    Der Duft des Schnapses durchzog Putkin wie eine warme Wolke.
    »Kyrill –«, sagte er heiser. »Kyrill Jegorowitsch, ich kannte einen Mörder im Lager von Magadan, der hatte in einem anderen Lager seinen Bettnachbarn im Schlaf erwürgt, weil

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