Die Verdammten der Taiga
ekelhafter Schwätzer, Igor Fillipowitsch!« sagte die Susskaja hart. »Und ein Hohlkopf dazu. Sie glauben wirklich alles, was man Ihnen sagt.«
In der Nacht – die anderen schliefen längst, und Putkins gewaltiges Schnarchen drang volltönend aus dem Zelt – saßen Katja und Andreas noch am Feuer, gegen die beiden Materialsäcke gelehnt, und streichelten ihre aufgetauten, jetzt von der Hitze der Flammen geröteten Gesichter, küßten sich oder sahen sich bloß stumm an, weil es keiner Worte bedurfte. Diese Augen, dachte Andreas. Diese Lippen! Diese Fingerspitzen, die wie glühende Punkte über mich gleiten. Ich werde nichts vergessen können, nichts mehr … an dieser Frau werde ich zugrunde gehen.
»Könntest du wirklich in Rußland bleiben?« fragte sie plötzlich. Er fuhr unter ihren Worten zusammen, als habe sie ihn geschlagen. Ihr Kopf lag jetzt in seinem Schoß, die Haare flossen über seine Schenkel, es war heiß vom Feuer her, sein um die Schulter gelegter und ausgebreiteter Fellmantel hielt die Wärme fest wie eine aufgespannte Wand, und Katja hatte ihre Pelzjacke geöffnet, seine Hände über ihre Brüste geschoben, und er spürte das Schlagen ihres Herzens, ein starker Schlag, voll von herrlichem Leben.
»Nur, wenn du bei mir bist, Katjuschka …«
»Ich bin bei dir, Andruscha …«
»Immer?«
»Bis zum letzten Atemzug.«
»Dann ist es gleichgültig, wo wir leben …«
»Auch in der Taiga?«
»Auch da.«
»Sollen wir hierbleiben, Andrej? Hier an diesem Fluß? In dem Haus, das wir bauen werden?«
»Und Putkin? Nadeshna und Morotzkij?«
»Sie können weiterziehen, wenn sie Lust dazu haben. Unsere Welt ist klein geworden, Andrej. Nur noch du und ich … aber es wird eine herrliche Welt sein. Wollen wir in der Taiga bleiben?«
Er nickte und suchte nach einem Wort, aber er fand es nicht. Er blickte von Katjas seligem Gesicht weg in die Dunkelheit. Das Eis des Flusses glitzerte im fahlen Licht eines verschleierten Mondes, die Gerippe der Bäume stachen in die Finsternis hinein, das Gurgeln des gefangenen Flusses klang zu ihnen wie das verzweifelte Atmen eines Erstickenden.
»Ja –«, sagte er. »Wir wollen es versuchen –«
»Es wird unser Land sein.« Sie zog seinen Kopf zu sich hinunter und drückte ihn an ihre Brüste. »So weit du blicken kannst: unser Land! Und keiner wird uns stören –«
Er roch ihren Körper, zerteilte alles, was auf ihm lag, mit den Händen und vergrub sein Gesicht in das volle, duftende Fleisch ihrer Brüste. So saß er eine ganze Zeitlang, betäubt von dem, was er gehört und geantwortet hatte und noch mehr betäubt von der Vorstellung, ein ganzes Leben lang in der Taiga, unter Bäumen und an einem Fluß verbringen zu müssen.
»Ich liebe dich, Andrej –«, sagte die Susskaja. »Mein Gott, ein Mensch kann nur einmal so lieben …«
Das war es, was ihn besiegte. Es löschte alles in ihm aus, was einmal Andreas Herr gewesen war. Er war nur noch Andrej, der Verdammte, und da war nur noch Katjuschka …
XVII.
Schon am nächsten Tag begannen sie mit dem Bau des Hauses.
Andreas hatte auf ein Stück Sackleinwand den Grundriß gezeichnet und hielt den Plan Putkin unter die Augen, als dieser seinen morgendlichen Tee – das heiße Wasser mit den säuerlichen Kräutern – getrunken hatte.
»Diese deutsche Gründlichkeit!« sagte Putkin und schob Andreas' Hand weg. »Sie bekommen es fertig und machen auch noch eine statische Berechnung. Ein Blockhaus ist das selbstverständlichste Ding von der Welt: Ein Steinkranz als Fundament, darauf die Ringbalken, und schon geht's in die Höhe. Stamm auf Stamm in Kerbe, damit es schön dicht wird. Dann die Ritzen ausgestopft mit Moos oder was man gerade hat, sehen Sie da Probleme?«
»Ja.« Andreas betrachtete seine Zeichnung. »Beim Dach und bei den Bodendielen. Ihre Fäuste mögen wie Dampfhämmer sein, aber hobeln können sie nicht.«
»Es ist alles nur eine Zeitfrage, Andrej.« Putkin schmatzte an seinem Fladen herum, den Nadeshna in der Pfanne aus Weizenmehl, Wasser und Honig gebacken hatte. »Wir haben eine Axt und zwei Beile, zwei Feilen und drei Schraubenzieher. Das genügt.«
»Es wird eine Sauarbeit, Putkin.«
»Wozu haben wir den Fluß und seine Steine? Wir werden uns einen Hobel aus Steinen machen. Oder wollen Sie das Haus bei einem Schönheitswettbewerb melden? Die Stämme spalten wir, und dann geht's los mit dem Schaben, bis sie halbwegs glatt sind.« Er putzte die Hände an seinem dicken Fellmantel ab und
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