Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
hatten sie mit Kletterpflanzen und Telefonkabeln gefesselt.
Maddy blickte zur Cafeteria hinüber. Die Eingangstür hing schief in den Angeln, war beinahe komplett herausgebrochen, und im düsteren Inneren konnte Maddy zahlreiche ebenso zerstörte Körper erkennen.
Tränen traten in ihre Augen.
Oh, Fran …
Sie konnte die Gesichter nicht voneinander unterscheiden, nahm nur ein verschlungenes Durcheinander aus Armen und Beinen und jede Menge Blutpfützen wahr.
Sie ließ ihren Blick zur Krankenstation wandern. Der Vorhang war heruntergerissen worden. Einige der Kranken und Verwundeten lagen noch immer in ihren Betten, andere ausgestreckt auf dem Boden. Mit einem dicken, sauren Klumpen in der Kehle wandte Maddy sich dem Bett ihrer Mutter zu.
Sie lag noch da, aber Maddy konnte unmöglich erkennen, ob sie noch lebte.
Sie hatte genug gesehen. Sie musste zurück zu Lucy und dann mussten sie gemeinsam versuchen, den hinteren Bereich des Supermarkts zu erreichen und zu fliehen, bevor die Sonne aufging und das Gelände in Licht tauchte.
Im selben Augenblick sagte eine Stimme ganz in ihrer Nähe: »Schau mal, was ich gefunden habe. Hatte sich im Dschungel versteckt. Ein hübsches junges Ding mit ganz schön Feuer im Hintern.«
Maddy spähte zwischen den Farmwedeln hindurch und beobachtete, wie einer der Männer den kleinen Körper auf seinen Armen trug.
Oh, nein …
Tränen tropften auf Maddys Wangen. Sie fühlten sich an wie Säure.
Grace.
Das Mädchen wirkte zu Tode erschrocken. Ihr Gesicht und ihre Arme waren völlig zerkratzt und bluteten.
Mistkerle! Gottverdammte Mistkerle!
Maddy konnte den Gedanken, Grace diesen Raubtieren zu überlassen, nicht ertragen. Aber sie hatte auch eine Verpflichtung Lucy gegenüber. Sie konnte ihre Schwester nicht sich selbst überlassen, zumindest nicht absichtlich. Es gab ohnehin nichts, was sie jetzt für Grace tun konnte. Sie hätten Maddy entweder getötet oder gefangen genommen, wenn sie jetzt versuchte, Grace zu retten. Nein, es war das Beste, wenn sie und Lucy flohen, und falls sie eine andere Zuflucht erreichten oder auf eine Vollstrecker-Gruppe trafen, würden sie mit einer Eingreiftruppe herkommen und die Unschuldigen aus den Klauen dieser Verbrecher befreien.
Maddy schloss das Guckloch zu den Schrecken, die sich vor ihr abspielten, wandte sich ab, wischte sich über die Augen und rannte zurück in den Dschungel. Vor lauter Angst war ihr Verstand vollkommen durcheinandergeraten.
Hätte sie versuchen sollen, Grace zu retten?
Nein, ich muss Lucy helfen …
Hätte sie versuchen sollen, ihrer Mum zu helfen?
Ihr kann niemand mehr helfen. Sie ist noch nicht mal in der Lage, aus eigener Kraft zu stehen, geschweige denn zu laufen …
Was wurde aus ihren Freunden, ihrer Familie?
Darüber darfst du nicht nachdenken …
Sie musste sich darauf konzentrieren, zu Lucy zurückzufinden und dann irgendwie mit ihrer Schwester fliehen. Diesem Plan galt jetzt ihre ganze Konzentration.
Maddy blieb stehen, um ihre Gedanken zu sortieren, sich ein wenig zu beruhigen und sich zu orientieren.
Sie hatte zwei Monate lang auf diesem Gelände gelebt und kannte jeden Zentimeter im zerstörten Innenbereich des Supermarkts. Trotzdem musste sie zugeben, dass sie sich im Moment völlig verloren fühlte, als habe sie sich in einem ihr absolut unbekannten Dschungel verirrt. All die Bäume, leuchtend grünen Farne und schlangenartigen Kletterpflanzen kamen ihr völlig unbekannt vor.
Plötzlich fand sie sich in einer fremdartigen Welt wieder – einer Welt mit finsterer Urwaldlandschaft, verlorenen, verängstigten Umherirrenden, die um ihre Rettung kämpften – und wilden Gangs, die Kinder töteten und verstümmelten …
Maddy riss die Augen auf. Sie stand noch immer in dem dunklen Dschungel im Inneren des ehemaligen Safeway.
Was zur Hölle passierte hier? War es ein Traum? Eine Halluzination?
Was immer es auch gewesen sein mochte, es hatte überaus lebendig gewirkt: kurz, aber schrecklich furchteinflößend.
Sie konnte spüren, wie der Abgrund immer tiefer wurde. Sie verstand allmählich, was ihre Mum durchgemacht hatte: die Hoffnungslosigkeit der Situation, der Schmerz und das Entsetzen über dieses schreckliche neue Leben.
So darf ich nicht denken. Lucy braucht mich. Ich bin alles, was sie noch hat. Ich darf nicht durchdrehen, nicht jetzt.
Maddy atmete ein paarmal tief ein – ein beißender, metallischer Geschmack, der sich mit natürlichen Düften mischte, rann ihre Kehle hinunter. Sie
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