Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
leckte sich die Finger.
Trotzdem war es schön, etwas anderes im Magen zu haben als Schokolade und alte, aufgeweichte Fritten.
»Eventuell kann ich morgen ein paar Fallen bauen und fang uns damit einen Beutelmarder oder ein Opossum. Verdammt, wenn wir Glück haben, erlegen wir mit unseren Speeren sogar einen Dingo.«
Paul starrte in die Dunkelheit hinter dem Feuer. Instinktiv legte er eine Hand auf den Speer, der auf dem Baumstamm neben ihm lag.
»Haben Sie Angst, dass die uns angreifen?«
»Sie nicht?«
»Sie werden sich uns nicht nähern, solange das Feuer brennt, und außerdem schlafen wir ohnehin im BMW. Wir sind in Sicherheit, machen Sie sich keine Sorgen.«
»Mag sein. Aber was ist mit Beth und Candice?«
»Ich gehe fest davon aus, dass es ihnen gut geht«, meinte Harold.
Irgendwo ganz in der Nähe schrie eine Eule und über das Tosen des Flusses hinweg hörten sie einige Frösche quaken.
»Gott, wenn ich es nicht besser wüsste, würd ich sagen, wir sind auf einem Campingausflug und amüsieren uns prächtig.« Paul schüttelte den Kopf. »Diese ganze Situation ist doch total krank.«
»Ich hatte vor, dieses Frühjahr zum ersten Mal mit Sam campen zu gehen«, erwiderte Harold. »Der kleine Racker hat sich wahnsinnig darauf gefreut.«
»Es tut mir leid«, sagte Paul. »Hat er bei Ihnen und Mildred gelebt?«
»Oh, nein. Bei seinen Eltern. Aber sein Dad, der Mann meiner Tochter, ist nicht unbedingt ein Naturbursche. Zu sehr damit beschäftigt, seinen Computer- und Mobilfunkladen zu halten. Außerdem könnte er sich beim Campen seinen teuren Herringbone-Anzug ruinieren.«
»Ah, er ist einer von diesen Typen.« Paul biss sich auf die Zunge. »Scheiße, tut mir leid, das klang …«
»Auf den Punkt gebracht. Verstehen Sie mich nicht falsch, James ist ein guter Vater und ein guter Mann. Wir haben nur sehr unterschiedliche Ansichten darüber, was es bedeutet, die Elternrolle auszufüllen. Aber soll ich Ihnen mal sagen, was das Lustige ist?«
»Was denn?«
»James und mein Sohn, Simon, sind sich sehr ähnlich. Ich bin nur einmal mit Simon campen gewesen, da war er zehn. Er hat es gehasst. Er hat die meiste Zeit mit einem Buch und irgendeinem Ausschlag im Zelt verbracht. Aber Sam, Sam hat es geliebt, in der freien Natur zu sein und sich dreckig zu machen. Ja, er hat sich wirklich auf den Campingausflug gefreut.«
»Wie viele Kinder haben Sie?«
»Drei. Zwei Mädchen und einen Sohn. Der Jüngste ist 45, die Älteste 52. Sie sind alle sehr erfolgreich, und abgesehen von Jane leben sie im Ausland. Jane lebt ganz bei uns in der Nähe.«
»Und Sam ist Janes Sohn?«
Harold nickte. »Was ist mit Ihnen? Sind Sie mit Ihrem Sohn je campen gegangen?«
»Er ist noch zu klein. In ein paar Jahren vielleicht. Das heißt, falls …« Paul unterbrach sich.
»Falls was?«
»Falls wir je wieder hier rauskommen. Und falls ich dann immer noch Kontakt zu ihm habe«, beendete Paul seinen Satz.
»Warum sollten Sie das nicht?«
»Weil ich ein Versager bin. Weil ich vergesse, an den Abenden anzurufen, an denen ich verspreche, anzurufen. Und weil ich in letzter Minute ins Einkaufszentrum fahre, weil ich um ein Haar seinen Geburtstag verschlafen hätte.«
Harold wirkte unbehaglich, als wisse er nicht, was er sagen solle.
»Ich liebe meinen Sohn«, platzte Paul heraus. »Gott, das tu ich wirklich.«
»Ich glaube Ihnen.«
»Ich bin nur … Scheiße, ich weiß auch nicht.«
Tränen brannten in Pauls Augen, als sich eine ganze Flut von Emotionen Bahn brach. »Vor ein paar Monaten hab ich gehört, wie er George Dad genannt hat. Ist das zu glauben? Ich wär beinahe an Ort und Stelle ausgerastet. Ich musste lügen und hab behauptet, ich hätte was im Wagen vergessen, nur, damit ich meine Wut am Autositz auslassen konnte und mich hinterher niemand weinen sah.«
Paul wischte sich die Tränen mit einer hektischen Handbewegung ab.
»Ist George der neue Mann Ihrer Frau?«
»Im August sind sie zwei Jahre verheiratet. Sosehr ich hasse, es zuzugeben, aber er ist ein guter Kerl. So gut, dass mein eigener Sohn ihn schon als Dad ansieht.«
»Er ist noch klein und wahrscheinlich einfach verwirrt«, gab Harold zurück.
»Wenn er zehn ist, wird Liam wahrscheinlich denken, ich sei sein Onkel und George sein Vater. George wird derjenige sein, der Campingausflüge mit ihm unternimmt, nicht ich. Ich werde der seltsame Typ in der Ecke sein, der finster dreinschaut und vor sich hin murmelt, und wenn Liam fragt, was mit Onkel Paul nicht
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