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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Weder Sie noch ein anderer wird mir meine Freiheit nehmen.«
    »Hört auf damit!« rief Pilar. »Ihr redet wie meine beiden kleinen Söhne. Aber da wir in den nächsten Tagen beisammenbleiben müssen, sollten wir versuchen, auch miteinander auszukommen. Ty, du bist vermutlich wütend, weil du die ganze Nacht über wachgeblieben bist und dir das Bein weh tut. Warum legst du dich nicht hin, bettest deinen Kopf in ihren Schoß, und Chris erzählt uns eine Geschichte? Ich würde meinen eigenen Schoß zur Verfügung stellen, aber ich habe vor, mich hier auszustrecken und selbst ein bißchen zu schlafen.«
    Chris sah Tynan nicht an, und es folgte eine lange Minute des Schweigens. »Also gut«, sagte sie schließlich. »Vielleicht haben wir etwas Ruhe bitter nötig. Sie dürfen meinen Schoß als Unterlage für Ihren Kopf benützen.«
    »Nur wenn Sie schwören, das nicht als Heiratsantrag zu betrachten.«
    »Wenn du mein Sohn wärst, würde ich dir jetzt dafür einen Klaps auf den Hintern geben. Nun leg dich hin und benimm dich.«
    Chris lehnte sich gegen einen Baum, und Ty legte seinen Kopf in ihren Schoß. Einen Moment waren sie ganz steif und bemühten sich, so wenig körperlichen Kontakt wie möglich miteinander zu haben.
    »Ich habe im letzten Jahr Der Graf von Monte Christo gelesen. Ich könnte euch die Geschichte erzählen«, sagte Chris.
    »Aber nur, wenn die Leute sich nicht am Ende kriegen und glücklich bis an ihr seliges Ende leben«, sagte Tynan mit geschlossenen Augen, den Kopf zur Seite gedreht.
    »Es ist eine Geschichte von Habsucht, Verrat, Untreue, Mord und Rache. Es könnte fast Ihre Autobiographie sein.«
    »Hört sich ja gut an«, sagte er, seinen Kopf in ihren Schoß kuschelnd.
    »Ich bin sicher, die Franzosen werden sich freuen, wenn Ihnen die Geschichte eines ihrer Autoren gefällt.« Dann begann sie mit ihrer Story einer Rache, die mit der Liebe zweier Männer zu einer Frau begann.
    »Typisch«, murmelte Ty, sagte aber nichts mehr, während Christianas Stimme leiser wurde und weicher, je länger sie erzählte.
    Schon nach einigen Minuten hörte sie regelmäßige Atemzüge von Pilar, die in der warmen Nachmittagssonne eingeschlafen war. Auch Tynan schien der Schlaf übermannt zu haben, und so fühlte sie sich sicher genug, ihm die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Er sah so jung aus, wie er so gelöst dalag. Der Verband an seinem Schenkel war schmutzig vom vielen Umherlaufen im Wald. Sie konnte ihn durch das Loch in der Hose sehen, das die Kugel in den Stoff gerissen hatte.
    Sie fuhr mit dem Erzählen fort, obwohl sie wußte, daß ihre beiden Zuhörer schliefen, denn sie erzählte gern Geschichten. Nach dem tragischen Ende der Story legte sie die Hand auf Tynans Wange, wickelte sich eine Locke von seinen dunklen Haaren um den Finger und lauschte dem Gesang der Vögel.
    »Das hat mir gefallen«, sagte er leise in das Schweigen hinein.
    »Ich dachte, Sie würden schlafen«, sagte sie und wollte die Hand von seiner Wange nehmen.
    Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Nein, ich wollte die Geschichte hören. Ein Angestellter in einem Laden erzählte mir einmal, daß ihm der Goldgräber so um die Zeit herum, als ich geboren wurde, ein Buch verkauft habe. Ich habe mich immer gefragt, ob das Buch nicht meiner Mutter gehört haben könnte, und wenn ja, wovon das Buch wohl handelte. Ich habe immer gern Geschichten gehört.« Und dann begann er ganz beiläufig ihre Fingerspitzen zu küssen, als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt wäre.
    »Wollen Sie das bitte unterlassen?«
    »Chris, falls ich einmal heiraten sollte, schwöre ich, daß du die erste bist, die dafür in Frage käme. Tatsächlich ist der Gedanke, mit dir zu leben, das verlockendste Angebot meines Lebens. Du bist hübsch, begeisterungsfähig im Bett...«
    Chris warf einen ängstlichen Blick zu der Stelle hinüber, wo Pilar lag, aber diese schien fest zu schlafen.
    »Und du bist die interessanteste Frau, die mir je begegnet ist. Ich habe dir Sachen erzählt, wie ich sie niemand anderem anvertraut habe, aber die Wahrheit ist, daß ich für die Ehe einfach nicht tauge. Ich glaube nicht, daß ich es lange an einem Ort aushalten kann - das heißt, wenn ich jemals wieder aus dem Gefängnis herauskommen sollte, in das dein Vater mich wieder stecken würde, wenn ich daran zu denken wagte, seine kostbare Tochter zu heiraten. Begreifst du denn nicht, daß das einfach nicht gutgehen kann?«
    Chris ließ sich ihren Zorn nicht anmerken.

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