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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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geben.«
    »Ja«, sagte sie, ihn über den Rand ihres Bechers hinweg ansehend. »Ich bin froh über diesen Ruhetag. Ist noch etwas zu essen da? So ein langer Mittagsschlaf macht schrecklich hungrig.«
    Chris bekam Tynan bis zum nächsten Morgen nicht mehr zu Gesicht. Zweimal versuchte sie dann, seinen Blick einzufangen, ihm zuzulächeln, aber er mochte sie nicht ansehen. Er tat, als wäre der gestrige Tag gar nicht gewesen.
    Doch je weniger er sie beachtete, desto eindringlicher beobachtete sie ihn. Am Nachmittag hielten sie an, um das Lager für die Nacht vorzubereiten, und sofort spannte Tynan Asher und Chris zusammen. Chris beobachtete Ty, wie er sich um die Pferde kümmerte, und als er an ihr vorbeikam, war sie überzeugt, daß er ab und zu das eine Bein nachzog. Konnte er sich gestern bei der Schießerei verletzt haben? Den ganzen Tag behielt er diesen vermaledeiten Hut auf, den er stets tief in die Stirn zog, so daß sie sein Gesicht nicht wirklich sehen konnte; aber die schmerzliche Grimasse, die er schnitt, als er einen Arm hob, um das Pferd am Halfter zu nehmen, entging ihr nicht. Asher sah sie einmal verdrossen an; doch sie fuhr fort, jede Bewegung von Tynan genau zu beobachten - und je länger sie ihn betrachtete, um so gewisser wurde sie, daß er ständig von Schmerzen geplagt war.
    Chris gähnte heftig. »Ich glaube, ich bin ziemlich müde, und wenn Sie nichts dagegen haben, gehe ich ein Stück den Pfad hinunter und mache dort ein Nickerchen.«
    Tynan drehte sich kurz um, und sein Blick kreuzte sich flüchtig mit jenem von Chris. Doch dann sah er schon wieder woandershin. »Gehen Sie nicht zu weit weg«, murmelte er, als er an ihr vorbeikam und auf ihrem Trail zurückging.
    »Sind Sie sicher, daß Sie nicht lieber mit mir Spazierengehen möchten, Chris?« fragte Asher. »Ich würde so gern etwas mehr von Ihrer Arbeit bei der Zeitung erfahren.«
    »Ich bin wirklich sehr müde. Vielleicht ein andermal«, sagte sie, nahm ihre Bettrolle und Satteltasche und tat so, als könnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten, während sie in die Richtung ging, in die sich Tynan soeben entfernt hatte.
    Als Asher sie nicht mehr sehen konnte, öffnete sie ihre Satteltasche, holte ihre Sanitätsausrüstung heraus und rannte den Pfad hinunter, in der Hoffnung, Tynan noch einholen zu können, ehe er sich irgendwo unsichtbar machte.
    Sie schien ziemlich weit gerannt zu sein und sah noch immer kein Zeichen von ihm, als sie glaubte, ein Pferd in ihrer Nähe wiehern zu hören. Sie tat, was sie eigentlich nicht tun durfte:
    Sie verließ den Pfad, um einen Platz zu erreichen, wo sie besser sehen konnte, was sich dort unten am Fuß des Pfades befand.
    Der Bereich außerhalb des Pfades war für sie erschreckend: Sie fürchtete die von Ranken verdeckten Fallgruben und Abstürze, die Ty ihr gezeigt hatte. Und wer konnte schon sagen, was für ein Horror sie unter dem Grünzeug erwartete?
    Sie arbeitete sich vorsichtig bis zu einem riesigen Baum vor, teilte die Flechten, die von ihm herabhingen, und blickte nach unten. Tynan stand wenige Meter unter ihr auf einer kleinen, steinigen Lichtung. Er hatte sein Hemd ausgezogen und rieb sein Pferd ab. Als er sich umdrehte, und sie seinen Rücken sah, begann sie heftig zu atmen. Sie hatte nur zu recht gehabt, als sie argwöhnte, er würde bei jeder Bewegung Schmerzen erleiden. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie deutlich sehen, daß die blutigen Striemen, die sich kreuz und quer über seinen Rücken zogen, nur zur Hälfte verheilt waren. Und sie war sicher, daß diese Striemen von einer Peitsche stammten. Der fliegende Galopp gestern, die Handbewegung, um sie auf sein Pferd hinaufzuziehen, ihr Anklammern an seinen Rücken: das alles mußte ihm gestern höllisch weh getan haben.
    Sie wartete, bis er sich abermals umdrehte und nun mit dem Gesicht zu ihr stand, und zog sich dann wieder auf den Pfad zurück. Dann tat sie so, als käme sie just in diesem Moment den Pfad herunter, machte eine Menge Lärm und rief seinen Namen.
    Als sie oben am Rand der Böschung über der Lichtung auftauchte, hatte er bereits sein Hemd wieder angezogen und stieg nun in seine Stiefel.
    »Hier«, rief er zu ihr hinauf.
    »Wie komme ich denn da hinunter?«
    »Gar nicht. Sie gehen ins Lager zurück.«
    Sie lächelte ihm zu und rückte einen Schritt vor, als hätte sie die Absicht, kerzengerade die steile Böschung hinunterzugehen.
    »Nein!« schrie Tynan, aber es war bereits zu spät.
    Chris hatte nur so tun
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