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Die Verfuehrerin

Titel: Die Verfuehrerin
Autoren: Jude Deveraux
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»Also haben Sie Mrs. Sunberry kennengelernt. Ich dache, sie würde Sie mögen.«
    »Wie man einen herrenlosen Hund adoptiert?«
    »Sie sind vielleicht herrenlos; aber bestimmt kein Hund. Ty, wo wurden Sie geboren?«
    Er bewegte sich, als wollte er sich aufrichten; aber sie drückte ihn rasch wieder nieder.
    »Also gut, keine Fragen mehr; aber werden Sie jetzt nicht wieder wütend, bitte. Es ist ein viel zu schöner Tag heute, um ihn mit Ärger zu ruinieren.« Sie fuhr mit den Händen in seine Haare und begann, seine Kopfhaut zu massieren.
    »Gefällt Ihnen Ihr Beruf als Zeitungsreporterin?« fragte er.
    »Ja, jedenfalls gefiel er mir; doch ich glaube, so allmählich habe ich genug davon. Ich bin achtundzwanzig und habe mit achtzehn als Reporterin angefangen. Das ist eine lange Zeit. Ich glaube, ich möchte... Ich weiß nicht genau, was ich möchte; aber es ist etwas mehr als das.«
    »Ein Heim und Kinder?«
    Sie lachte. »Man merkt, Sie haben mit meinem Vater geredet. Hat er Ihnen erzählt, wie er mich nach Washington zurücklotste? Wie er mich angeschwindelt hat? Ich arbeitete in New York, und er schickte mir ein Telegramm mit der Nachricht, daß er an der Schwelle des Todes stünde. Ich weinte mir auf dem Weg von einer Küste zur anderen die Augen aus dem Kopf, weil ich glaubte, ich würde ihn nicht mehr lebend vorfinden; und als ich dann müde, dreckig und verstört zu Hause anlangte, traf ich ihn auf dem Rücken eines bockenden Broncos an, das er gerade zureiten wollte.«
    »Sie können froh sein, einen Vater zu haben.«
    »Haben Sie keinen?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Oder eine Mutter?«
    »Sie ist tot.«
    »Ah«, sagte Chris. »Wie lange sind Sie schon allein?«
    »Immer. Wollen Sie sich jetzt noch meine Füße ansehen und die Sache hinter sich bringen? Ich muß noch den Trail hinunterreiten, um festzustellen, welchen Schaden er in all den Jahren genommen hat.«
    Widerstrebend nahm Chris die Hände von Tys Haut, während er sich umdrehte und aufsetzte. Einen Moment lang berührten sich ihre Blicke und blieben an den Augen des anderen haften. Chris hätte am liebsten den Blick nie mehr von ihm abgewendet; aber Ty sah zur Seite und murmelte:
    »Im Gefängnis bin ich sicherer gewesen. Hier! Betrachten Sie lieber meine Füße. Die werden Sie wohl auch noch eine Weile beschäftigen.«
    Seufzend wandte Chris den Blick von seinem Gesicht ab, sah auf seine Füße - und stieß heftig die Luft aus. Da waren Blasen und Blasen, deren Haut abgescheuert war und wo nun das rohe Fleisch zum Vorschein kam. Und was sich noch nicht zu Blasen entwickelt hatte, war auf dem besten Wege dorthin. »Neue Stiefel und keine Socken«, sagte sie und nahm einen der beiden Füße in die Hand. »Haben Sie die Stiefel einfach angezogen, ohne sie einzulaufen?«
    »Ich war dazu gezwungen. Ich hatte am Abend zuvor meine Halbschuhe durchgetanzt«, sagte er im feierlichen Ernst.
    Sie lachte. »Ich würde Ihnen den Fuß bandagieren und Mr. Prescott fragen, ob er Ihnen nicht mit einem Paar Socken aushelfen kann.«
    »Nein«, rief Ty rasch, »ich nehme keine Almosen an.«
    Chris blickte ihm erstaunt ins Gesicht. »Also gut«, sagte sie dann. »Keine Almosen! Aber in der ersten Stadt, die wir passieren, kaufen wir Ihnen Socken. Mein Vater hat Ihnen doch etwas dafür bezahlt, daß Sie mich begleiten, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete er und sah zu, wie sie eine Bandage um seinen Fuß zu wickeln begann. Sie fuhr mit der Hand über seine Knöchel, die genauso entzündet waren wie seine Handgelenke. »Ketten?« fragte sie.
    Er tat so, als habe er ihre Frage nicht gehört. »Was hat Sie dazu gebracht, Lanier nachzuspionieren?« fragte er.
    »Ich weiß nicht. Irgend jemand mußte es ja tun. John Anderson wird die Geschichte inzwischen schon im Druck haben. Die Leute hassen die Indianer noch mehr, als sie es sowieso schon tun, wenn sie erfahren, daß diese Missionare umgebracht haben. Doch diesmal sind sie unschuldig. Hugh Lanier hat die Missionare massakrieren lassen, und ich hielt es für ein Unrecht, dieses Massaker den Indianern in die Schuhe zu schieben.«
    »Auch wenn das bedeutet, daß ein weißer Mann - ein Mann, den Sie sogar persönlich kennen- vermutlich alles verlieren wird?«
    »Auch die Missionare haben alles verloren«, sagte sie leise.
    »Ich habe noch nie eine Frau gesehen, die sich bei einem Schußwechsel so kaltblütig verhalten hat wie Sie gestern. Haben Sie in solchen Sachen Erfahrung?«
    »Ein bißchen«, antwortete sie.
    »Ich
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