Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Verkaufstresen, und das kesse Ladenmädchen, dessen Name Molly war, beäugte sie mit unwirschem Gesicht. Arabella bemerkte mit Interesse, dass sie Lord Petre mit einem unverschämt neckischen Knicks und einem versteckt vertrauten Lächeln begrüßte. Der jedoch erwiderte keinen dieser Annäherungsversuche und gab durch nichts zu erkennen, dass er sie schon jemals gesehen hatte. Sofort wurde Arabella neugierig: Es war offensichtlich, dass die beiden sich kannten, trotz Lord Petres gegenteiliger Bemühungen.
Molly ihrerseits hatte geseufzt, als sie Arabella eintreten sah. Sie war eine gewiefte Beobachterin ihrer Kundschaft, und sie wusste, wie solche jungen Damen waren. Sie wusste schon, Arabella würde umherschlendern, mit ihrer Freundin plaudern, Lederhandschuhe greifen und sie dann achtlos auf die Tische fallen lassen. Sie würde sich eine Schachtel bringen lassen, und dann die nächste, würde die Stücke einmal umdrehen und schließlich kühl nach einer anderen Farbe verlangen, die sie nicht vorrätig hatten. Sie würde den teuersten Fächer in die Hand nehmen, ihn heftig auf- und zuklappen, wohl wissend, dass es von Mollys Lohn abgezogen würde, wenn er kaputtginge. Und dann würde sie gehen, nachdem sie höchsten für einen Sixpence Band für eine Haube gekauft hatte, die sie nie tragen würde.
Aber heute hatte Arabella keine Lust, lange in dem Laden herumzutrödeln. Rasch entschlossen wählte sie drei Paar Glacéhandschuhe, bestellte Straußenfedern für ihren Frühjahrsmuff und wartete dann, während Teresa zwei Paar der gleichen Handschuhe für sich selbst kaufte. Als die Mädchen fortgingen, trat Lord Petre wie beiläufig noch einmal zurück, um Molly einen Shilling zu geben. Aber sie nahm ihn nicht mit ihrem sonst üblichen Schmeicheln und Schmachten, denn sie sah, dass er ebenso wenig auf Ablenkung bedacht war wie Arabella. Sie nickte nur artig mit dem Kopf, und Lord Petre gesellte sich wieder zu den anderen.
Ein wenig ratlos standen die drei in der Galerie herum und blickten gemeinsam zu einer dicken Frau hinüber, die ein Stück zart gestreiften Stoffes in die Höhe hielt.
»Seide für den Garten, meine Damen, italienische Seiden, Brokate, Silbergewebe, Goldgewebe, allerfeinste Mantuaseiden, Genfer Samt, englischer Samt, geprägter Samt …«, schrie sie.
Arabella sagte irritiert: »Was für einen grässlichen Lärm diese Person macht! Das Schlimme an dieser Lokalität ist, dass man nicht ebenso so schnell wieder hinauskommen kann, wie man hineinkommt. Ich glaube, in diesem Punkt muss ich jenen Geistlichen zustimmen, die London mit dem Feuer der Hölle vergleichen.«
»So höllisch die Börse auch sein mag, Miss Fermor«, meinte Lord Petre, »einen Vorteil hat sie gegenüber der Hölle: Man kann sogar blitzschnell die Flucht ergreifen – durch eine Sänfte oder eine Kutsche. Darf ich Sie in eine Droschke setzen?«
Er führte sie hinten durch das Gebäude hinaus, wo die Droschken bereitstanden.
Dort draußen drängte sich eine Menge schwitzender, übelriechender Männer: Franzosen, die mit Juden Handel trieben, Händler, die sich mit holländischen Kaufleuten um ihre Schiffsladungen aus Indien herumstritten, Huren, die sich dicht herandrängten, um die Gunst der Gentlemen zu erwecken.
Die Damen schritten voran, Lord Petre bildete die Nachhut.
Schließlich waren sie schon fast auf der Straße, als sie Lord Petre ausrufen hörten: »Douglass – hier sind Sie!«
Arabella drehte sich um und erblickte den Mann mit dem Zobelkragen. Er lächelte, als er einen Burschen stehen ließ, der ihm in vulgärem Französisch eine Bemerkung nachrief, die Arabella nicht verstand. Aber kaum hatte Douglass Lord Petre und seine Begleiterinnen erblickt, da nahm sein Gesicht wieder die gewohnte Kühle an, die – das musste Arabella zugeben – seine Züge noch attraktiver machte. Rasch ging er auf Lord Petre zu, und Arabella beobachtete, wie er sich an ihn drängte und flüsterte: »Das war unser Mann …«
Aber Lord Petre deutete auf die Damen und fragte: »Wo sind Sie denn bloß die ganze Zeit gewesen, Douglass?«
Douglass verneigte sich vor Arabella und Teresa und sagte mit einem Lächeln, dem man die Absicht zu provozieren, ansah: »Ich bin einer Horde italienischer Strichjungen in die Falle gegangen! Und Sie waren bestimmt da oben in der Galerie der Ladendirnen. Das ist ein richtiges Kaufherren-Serail da oben. Für fünf Shilling ist jede von denen bereit, den Gesetzen der Natur zu gehorchen. Und sogar noch
Weitere Kostenlose Bücher