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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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alles verändert.
    Auch Griffyn war als Kind zum Wehrgang hinaufgegangen, hatte vielleicht auf der Mauer balanciert, wie sie es im Alter von sieben Jahren in einem Anflug von mutiger Dummheit getan hatte. Bis ihre Mutter gekommen war, sie heruntergerissen und mit einer Hand festgehalten hatte, während sie sich mit der anderen ans Herz gegriffen hatte.
    Griffyn war diese Wehrgänge entlanggegangen, lange bevor sie nach Everoot gekommen war. Er war durchs Moor geritten und hatte den Wind im Bücken gespürt, so wie später auch sie.
    Griffyn hatte den Sonnenaufgang von hier oben beobachtet, hatte die Gewitterstürme verlacht und sich hinter dem steinernen Bollwerk in Sicherheit gewähnt. So wie sie.
    Welch ein trauriger Ort war diese Welt, die unbeirrt ihren Lauf nahm, während die Menschen Gott spielten. Brächte man
    Gwyn von hier fort, ihr Herz zerbräche daran. In hundert Stücke würde es zerschellen, in Scherben mit schartigen Kanten, die sie auf ewig quälen würden. Das hier war ihr Zuhause.
    Und es war auch sein Zuhause.
    »Es tut mir leid«, sagte sie dumpf.
    Er wandte ihr den Kopf zu. Sein Blick war auf die Ebene unter ihnen gerichtet gewesen, während sie geschwiegen hatten.
    »Was tut Euch leid?«
    »Das alles hier.« Sie machte eine weit ausholende Armbewegung und umfasste die ganze Welt.
    Er zögerte. »Die Nacht oder die Felder?«
    Sein Scherz verwirrte sie. »Nein, mir tut es leid, dass Krieg ist, weil den Menschen so vieles genommen wird. Und mir tut leid, was ich Euch angetan habe und dass Ihr diesen schönen Ort verlassen musstet.«
    Eine Träne rann über ihr Gesicht.
    »Aber nein, Mylady«, widersprach Griffyn überrascht und ging einen Schritt auf sie zu. »Es ist nicht Eure Schuld. Vielleicht gebe ich Euch manchmal dieses Gefühl, aber ich weiß genau, dass nicht Ihr dafür verantwortlich seid.«
    »Aber wenn man mich zwingen würde, von hier fortzugehen«, schluchzte sie und ließ ihren Tränen freien Lauf. »Ich wäre so tief betrübt, dass ich daran sterben würde.«
    »Das habe ich damals auch geglaubt«, sagte er leise. »Aber ich bin nicht gestorben, und jetzt bin ich ja wieder daheim.«
    »Und ich bin froh darüber!«, sagte sie aus tiefstem Herzen. Es war wie ein kleiner Sieg, dass sie in dieser finsteren Zeit diesen Moment des Glücks erleben durfte. Es war ein guter Moment, und Gwyn wollte ihn festhalten und für immer bewahren.
    »Ihr seid froh?«
    »Ja, das bin ich!«, versicherte sie ihm. »Auch in dieser kaputten Welt kann es noch geschehen, dass ein Mann nach Hause
    zurückkehrt. Das ist doch unglaublich schön, und darüber freue ich mich.«
    Sein Blick huschte über ihr Gesicht. »Nun, Mylady, dann habt Ihr mich schon wieder überrascht.«
    »Wieder?«
    »Ja. Damals auf der Landstraße, dann auf dem Burghof und bei unserem Festmahl.
    Ich kenne Euch kaum länger als zwei Tage, und Ihr habt mir mehr zu denken gegeben als jeder Feldzug, auf dem ich bisher war.«
    Sie lachte leise. »Vielleicht liegt es daran, dass man in einer Schlacht nicht so viel nachdenken muss. Hier zuschlagen, dort alles niedertrampeln. Lasst mich mal überlegen ...« Sie tat, als müsste sie nachdenken, und stützte das Kinn in die Hand.
    »Wäre es besser, dem Feind das Herz herauszuschneiden oder seinen Kopf aufzuspießen?« Sie ließ die Hand sinken. »Das sind nicht gerade Fragen, die den Verstand besonders fordern.«
    »Aber Ihr fordert mich sehr.« Sein Daumen streichelte ihr Kinn.
    »Ich versuche, Euch nicht zu viel abzuverlangen.«
    »Tut das nicht.«
    »Wieso nicht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Seid einfach so, wie Ihr seid. Ich glaube, mir gefällt es, Euch besser kennenzulernen.«
    Aber die, die ich bin, ändert sich gerade sehr schnell, dachte Gwyn. So wie jetzt habe ich mich noch nie gefühlt. Außer damals, vor einem Jahr, als ich mit Euch zusammen war.
    Seine fein gemeißelten Gesichtszüge wirkten in der Dunkelheit gefährlich, und die Narbe auf seiner Wange verstärkte den Eindruck noch. Bei jeder Bewegung, die er machte, spannte sich die Tunika über seiner breiten Brust. Aber in diesem Moment war es nicht allein seine männliche Ausstrahlung, die sie faszinierte. Was an ihr Herz rührte, war der verlorene Ausdruck in seinen Augen.
    »Griffyn. Ich habe Euch nicht...« »Was habt Ihr nicht?«
    Sie starrte über die Zinnen ins Dunkel. »Ich habe nicht gewollt, dass sie Euch gefangen nehmen.«
    Er schwieg, dann fragte er: »Was meint Ihr?« »Ich habe sie nicht hinter Euch hergeschickt,

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