Die Verfuehrung Des Ritters
wieder entglitten.
»So ist es das Beste, Gwyn.«
Jemand kam heraus und half dem Jungen. Gemeinsam scheuchten sie das Huhn wieder zurück in den Schatten der Burg. »Aber woher weißt du so sicher, dass es das Beste ist ?«
Seine tiefe Stimme hallte in dem Baum wider. »Weil es sein muss.«
Wie betäubt nickte Gwyn. Es war ihr unmöglich, ihn anzusehen.
Sie hörte, dass seine schweren Schritte auf sie zukamen. Aber dann blieb er stehen.
Einen Augenblick lang war alles still, dann machte er kehrt und verließ das Zimmer.
Die Tür schloss sich hinter ihm.
Emiige Zeit später hörte sie das Geräusch von Schritten, die sich eilig näherten.
Jemand rief, er suche nach Griffyn. Leise Stimmen folgten. Ein zweiter Bote war eingetroffen.
Gwyn starrte eine lange Zeit einfach nur aus dem Fenster. Der Nieselregen ließ nach, dann hörte er vollständig auf.
König Stephen wusste, dass sein Sohn nicht tot war. Jede Vereinbarung und damit auch jeder Vertrag, auf den er sich einließ, wäre nur eine List, ein Ablenkungsmanöver, um sich Zeit zu verschaffen. Zeit, die Guinevere nutzen konnte, den Prinzen gesund-zupflegen, um so ihren König und das Königreich zu retten.
Sie hatte ein Versprechen gegeben. Ihr Wort gegeben. Was hatte sieh geändert?
Nichts. Nach wie vor hatte sie ihre Pflicht zu erfüllen. Die neuen Umstände änderten daran nichts. Ebenso wenig wie ihre Gefühle. Und ihr Herz.
Gwyn spürte, wie sich alles in ihr gegen diesen Gedanken wehrte. Sie hob trotzig das Kinn, versuchte, sich zu beruhigen.
Sie brauchte Hilfe. Sie musste zu Marcus.
Funkelndes Sonnenlicht brach durch die Wolken. Der Tag versprach schön zu werden.
Griffyn eilte die Treppe hinunter, Alex folgte ihm auf den Fersen. Als sie die große Halle betraten, kam William ihnen entgegen.
»Da ist ein Bote, Mylorcl. Ich habe mir gestattet, ihn in die Schreibstube zu führen.«
Griffyn ging voran, Alex und William blieben dicht hinter ihm. Vor der Tür der Schreibstube blieben sie stehen. »Er hat gesagt, es wäre eine private Angelegenheit, Mylord«, sagte William leise. »Ich hoffe, ich habe nicht meine Befugnisse überschritten?«
»Ihr habt das gut gemacht«, sagte Griffyn und legte eine Hand auf Wilhams Schulter.
Er blickte Alex an. »Warte hier!«, befahl er ihm und nickte kaum merklich in Williams Richtung. Alex' Gesicht verhärtete sich, aber er nickte und machte einen Schritt zurück. Er lehnte sich vor der Schreibstube gegen die Wand und behielt einen sichtlich nervösen, aufgeregten Sir William im Auge.
Die Läden vor den Fenstern der Schreibstube waren noch geschlossen, und der Raum wurde nur von einigen Kerzen an den Wänden und auf einem Tisch erhellt.
Der junge Bote hatte auf der Bank am Tisch Platz genommen. Er saß auf der vorderen Kante der Bank, als fürchtete er, sie könne unter seinem Gewicht zusammenbrechen, auch wenn die Beine aus vier Zoll dicken Eichenbrettern gefertigt waren. Der Mann wirkte erschöpft, seine Kleider waren verdreckt, und er machte auf Griffyn den Eindruck, als habe er seit Tagen nichts mehr gegessen.
Griffyn schloss die Tür hinter sich, und der Mann sprang auf.
»Mvlord Everoot!«
»Wie heißt du, Junge?«, fragte Griffyn und trat näher.
»Richard, Sir!«
»Setz dich, Richard.« Er nahm den Alekrug, den vermutlich William auf den Tisch gestellt hatte, und schenkte dem Jungen etwas ein. Richard nahm den Becher entgegen und trank ihn auf einen Zug zur Hälfte leer.
»Welche Nachricht bringst du?«, fragte Griffyn, nachdem der Junge den Becher abgesetzt hatte.
Der junge Richard setzte den Becher auf dem Tisch ab, wobei etwas Ale über den Becherrand auf seine Tunika spritzte. »Ich bringe Nachricht von einem Ritter im Norden, Mylord«, sagte er knapp. Er gönnte sich keine Pause, um seine Tunika wenigstens notdürftig zu reinigen.
»Von wem stammt die Nachricht?«
»Mir wurde aufgetragen, Euch auszurichten, dass Ihr ihn nicht kennt.«
»Und wie lautet die Botschaft?«
Richard riss die Tasche auf, die er am Gürtel trug. Er hob die Lasche und zog eine zerknitterte Pergamentrolle heraus. »Mein Herr bittet Euch darum, Euren Unwillen nicht an mir auszulassen, solltet Ihr nach dem Lesen seiner Nachricht Grimm verspüren. Und dass Ihr nicht verlangt«, fügte er eilig hinzu und versuchte, unbeteiligt auszusehen, obwohl sich sein Gesicht verzogen hatte, als müsse er einen Käfer herunterschlucken, »dass ich die Botschaft esse.«
Griffyn blickte von dem Pergament auf. »Das würde nicht
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