Die Verfuehrung Des Ritters
Griffyns Hund Renegade war dem Jungen wie immer dicht auf den Fersen.
»Mylady!«, rief Edmund.
Ihr Herz hämmerte in der Brust. Der Junge kam zu ihr gelaufen.
»Ich habe mich im Keller umgeschaut«, sagte Edmund. Gwyn fiel vor Schreck beinahe in Ohnmacht. »Und da habe ich das Scheitholt gesehen, das Ihr dort aufbewahrt. Meint Ihr, dass ich das Instrument erlernen kann?«
Ihr Gesicht war vor Aufregung heiß und gerötet. Sie fächelte sich Luft zu. »Aber natürlich, Edmund«, sagte sie und versuchte, sich auf sein Anliegen zu konzentrieren. Sie hatte das Instrument völlig vergessen, sonst hätte sie es schon längst verkauft. »Ich ... ich bin sicher, wir finden jemanden, der dich unterrichtet.
Mein Schreiber kann es spielen, zwar nicht besonders gut, aber es wird reichen, um dir etwas beizubringen.«
Edmund strahlte. »Danke, Mylady!«
»Gern«, antwortete sie zittrig. Sie beugte sich herunter und wollte den Hund streicheln.
Renny knurrte.
Gwyn zog die Hand zurück. Sie blickte Edmund fragend an, der genauso schockiert zu sein schien wie sie. Sie wandte sich noch einmal dem Hund zu, der wieder gefährlich leise knurrte und die Lefzen seiner ergrauten Schnauze hochzog.
»Das verstehe ich nicht, Mylady!«, rief Edmund bestürzt. Er zerrte den Hund von ihr weg. »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Erst gestern ... nein, vorgestern, da lief er doch noch hinter Euch her wie ein treuer Welpe.« Er schien ernstlich besorgt.
»Wie geht es Eurem Kopf, Mylady? Ich hätte Euch das sofort fragen sollen.«
»Es geht mir besser«, sagte sie langsam und ließ den Hund nicht aus den Augen. »Es ist alles in Ordnung«, fügte sie noch hinzu, bevor sie auf zittrigen Beinen ihren Weg zu den Ställen fortsetzte und Wind hinter sich herführte.
Sie hatte den Stall noch nicht erreicht, als ein Ritter aus dem Sauvage-Gefolge zu ihr trat.
»Mylady Guinevere?«
Bei allen Heiligen, war denn wirklich jede Seele in dieser Burg hinter ihr her? Mit einem verkrampften Lächeln auf den Lippen drehte sie sich um.
»Mein Herr sucht nach Euch.«
Eine entsetzliche Kälte kroch ihr den Rücken hinauf. Lieber Gott, er war schon zurück. »Ich möchte erst mein Pferd trockenführen«, sagte sie schwach und hoffte, er würde ihr ihre Verzweiflung nicht anhören. »Wo ist Lord Griffyn?«
»Er ist in der Halle, Mylady. Aber er hat mir gesagt, ich solle Euch ausrichten, dass er Euch in seinen Gemächern erwartet.«
In seinen Gemächern.
Sie nahm sich mehr Zeit als nötig, um Wind trocken zuführen und sein verschwitztes Fell abzunibbeln, um die Blutzirkulation anzuregen und die erschöpften Muskeln zu lockern. Sie füllte seinen Wassereimer und warf schließlich den Sattel über einen Bock. Später war Zeit genug, ihn zu reinigen. Wie lange war Griffyn wohl schon zurück? Was war mit Jerv? War Griffyn ihm über den Weg gelaufen? Hatte Jerv ihm gesagt, sie würde sich im Schlafgemach ausruhen, und hatte Griffyn die Kammer leer vorgefunden? Wie in Gottes Namen hätte Jerv ihm das erklären können? Und wie sollte sie es ihm erklären?
Die schlimme Vorahnung, die sie erfasst hatte, machte ihre Hände feucht. Sie wischte sie am Rock ab und stieg die Stufen zum Turm hoch. Jerv war nicht zu sehen. Sie durchquerte die große Halle, in der man dabei war, die Tische für das abendliche Mahl aufzustellen. Auch hier war Jerv nicht zu sehen. Gwyn verharrte auf dem Weg nach oben bei einem kleinen Fenster und starrte in den Burghof hinunter.
Wenigstens baumelte er nicht vom Galgen. Das war wohl ein gutes Zeichen.
Sie straffte die Schultern und öffnete die Tür zu den Gemächern des Burgherrn.
Griffyn saß auf einem Hocker und wühlte in einem Beutel. Er blickte auf, als sie die Tür öffnete. Dunkles Haar fiel ihm in die
Stirn. »Guinevere! Ich habe schon nach dir gesucht. Wo warst du?«
»Ich bin ausgeritten«, sagte sie mit schwacher Stimme, weil sie fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. »Ich bin wirklich überrascht, dich schon so schnell wiederzusehen.«
»Das waren die Männer auch. Aber ich habe sie unerbittlich angetrieben.« Er ließ seinen Blick über ihren Körper gleiten. »Ich wollte schnell wieder nach Hause.«
Gwyn setzte sich auf das Bett. Er steckte sie nicht in den Kerker? Verfluchte sie nicht? Sie wurde nicht geköpft? Wusste er es überhaupt?
»Zuerst möchte ich dir das hier geben.« Er holte aus seinem Beutel den Schlüsselring, an dem alle Schlüssel der Burg hingen. Sogar jetzt, in der verdreckten Tunika,
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