Die Verfuehrung Des Ritters
dem König treu zu bleiben und zugleich seinen Feind zu lieben.« Er schüttelte den Kopf und lächelte mitleidig. »Das wird Euch nie und nimmer gelingen, Gwynnie. Wir alle müssen uns eines Tages für eine Seite entscheiden.«
»Könnt Ihr's machen?«, fragte sie, ohne auf seine Worte einzugehen.
»Mir bleiben zwei Wochen?«
Sie nickte knapp.
Er lächelte schon wieder. »Ich kann viel mehr als nur das tun, Gwyn. Für mich ist das eine Kleinigkeit. Ihr kennt mich doch.«
Seine Worte erinnerten sie an etwas, das Griffyn gesagt hatte, als er nach Everoot gekommen war: Ihr glaubt, mich zu kennen. Doch kannte sie ihn wirklich? Er war ein gefährlicher Mann, und er war vollkommen. Und sie hatte sich so heftig in ihn verliebt, dass sie nicht mehr von ihm lassen konnte. Aber man folgte nicht dem Herzen, sondern erfüllte getreulich seine Pflicht.
Was zählte da, was das Herz einem sagte? Was hatte das je gebracht außer Tod und Zerstörung?
Dem Herzen zu folgen, machte einen Menschen närrisch und leichtsinnig und brachte anderen Menschen Schaden. Dem Bruder, der Mutter. Gwyn hatte einen Schwur getan, hatte einen Eid abgelegt. Sie musste Wiedergutmachung leisten. Da war kein Platz für Gefühle.
Und außerdem irrte Marcus sich. Sie konnte beide Versprechen halten, die sie gegeben hatte: dem König und Griffyn. So grausam war Gott nicht, dass er sie zwingen würde, zwischen den beiden zu wählen.
Mit einer Sache allerdings hatte Marcus recht: Eustace von Everoot fortzubringen war nicht länger nur ein Akt der Loyalität gegenüber ihrem König. Es war auch ein Weg, das Nest vom Verrat zu säubern, ehe Griffyn zum Opfer ihres Handelns wurde.
19. KAPITEL
Gwyn trieb Windstalker hart an, um rechtzeitig zur Sext wieder daheim zu sein.
Während des Mittagsmahles würde sie in die große Halle gehen und allen erzählen, dass sie ihre Kopfschmerzen überwunden hatte. Niemand würde Verdacht schöpfen.
Sie lenkte ihren Zelter in den Wald nördlich der Burg und folgte dann einem versteckten Pfad bis zu einer Höhle, die unter einem Felsvorsprung verborgen lag.
Dort stieg Gwyn ab und führte Wind ins Innere der Höhle. Das Pferd folgte ihr gehorsam.
Sie umrundete die Quelle, die in der Höhle entsprang, deren milchig trübes Wasser aber ebenso wenig einladend wirkte wie ihr unangenehm säuerlicher Geruch. In ihrer Mitte jedoch sprudelte eine heiße schweflige Quelle, die Gwyns schmerzenden Muskeln schon oft wohlige Erleichterung gebracht hatte. Am Ende der Höhle befand sich eine kleine Aussparung in der Wand. Gwyn griff hinein und tastete nach den Fackeln, die dort gelagert wurden. Sie nahm eine heraus, entzündete sie mit einem Feuerstein und betrat den kühlen Tunnel, der sich vor ihr öffnete.
Sie beeilte sich, als sie ihr Pferd zum Ende des Tunnels führte. Ehe sie ins Freie trat, steckte sie zuerst vorsichtig den Kopf durch die Tür, die direkt der gegenüberlag, die zu den Kellern führte. Durch diese Tür hatte sie Eustace in das Gewölbe der Burg gebracht. Der äußere Burghof war verwaist. Gwyn führte Wind durch das Tor und dann zum Burgtor.
Hier begegneten ihr mehr Menschen. Diener und Haushaltsmitglieder grüßten sie und nickten ihr lächelnd zu. Blickte man ihr nach? Gwyn spürte, wie Angst in ihr hochkroch. Sie zwang sich, langsamer zu gehen, und lockerte Winds Sattelgurt.
»Lady Guinevere?«
Sie fuhr herum. Der junge Page, der hinter ihr stand, war aus dem Nichts aufgetaucht. »Ja, Peter?«
»Sir Alex hat mir aufgetragen, nach Euch zu suchen. Lord Griffyn wird bald heimkommen«, piepste er fröhlich.
»Er kommt zurück? Schon heute?«
»Ja, heute Abend.«
Sie packte ihn an der Schulter. »Wann?«, rief sie.
»Bald!«, antwortete er, sichtlich verwirrt.
»Bald.« Ihre Hand sank herunter.
»Ja, Mylady. Und Sir Alex hat mir aufgetragen, Euch zu suchen ...«
Erneut wurde sie von Angst gepackt. »Er hat... hat er das so gesagt? Dass du mich suchen sollst?«
»Ja, Mylady.« Der Siebenjährige war sichtlich verwirrt, dass die schöne Herrin ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Aber es schien ihm zu gefallen. »Wir alle wussten ja, dass Ihr in Euren Gemächern wart, aber Sir Alex hat mir aufgetragen, Euch zu suchen. Aber erst musste ich noch dem Schmied Albert eine Nachricht überbringen.
Er hatte Probleme, das Schmiedefeuer in Gang zu halten, und ...«
»Danke«, hauchte Gwyn und ging rasch zu den Ställen.
Alex wusste es.
Auf dem Weg in den Stall begegnete Gwyn Griffyns Knappen Edmund.
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