Die Verfuehrung Des Ritters

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war. Für Prinz Eustace stand jedoch mehr auf dem Spiel: ein Königreich.
    Aber für die meisten lag es klar auf der Hand: Dieser Bürgerkrieg wäre zu Ende, sobald Henri fitzEmpress zum König gekrönt wurde.
    Und doch hielten ein paar treue Außenposten ihre Burgen, bemannten weiterhin ihre Garnisonen. Sie glaubten an ihren König. Sie würden sterben, das wussten sie.
    Durch das Schwert oder an Hunger. Sie würden sterben oder gefangen genommen werden.
    Die Anführer der Truppen des fitzEmpress schwärmten vor der Hauptstreitkraft wie Heuschrecken aus, die über ein Weizenfeld herfielen. Sie fraßen sich durch das Land, und alles fiel ihnen in die Hände. Die Guten und die Schlechten, die Spreu und der Weizen. Niemand zählte mehr, wie viel sie sich einfach nahmen.
    Und dann, im August, verbreitete sich die Nachricht, dass Prinz Eustace gestorben war.
    August 1153
    Das Nest, Northumbrien, England
    Es ist nichts mehr da, Mylady. Die ganze Ernte ist verdorrt. Der Weizen und auch der Roggen sind einfach am Halm vertrocknet.«
    Gwyn blickte zu William auf, ihrem zunehmend glatzköpfiger werdenden, geliebten Seneschall. Er saß ihr gegenüber am Tisch und strich sich seine fünf Haarsträhnen über den blanken Schädel nach hinten. Dabei starrte er finster auf das Pergament, das er entrollt in der Hand hielt. Der Bericht über den Zustand der östlichen Besitzungen war erst vor Kurzem eingetroffen. William wiederholte nur noch einmal, was er ihr schon so oft gesagt hatte.
    Gwyn nickte erschöpft und starrte aus dem Fenster. Kein Lufthauch regte sich und wehte durch das breite, hohe Fenster. Nur heiße, trockene Luft drang herein und die leise Stimme eines Kindes, das allein im Burghof spielte.
    »Verkauft die Harfen«, sagte sie entschlossen.
    »Mylady! Die Harfen gehörten Eurer Mutter!«
    »Sagt Gilbert, er soll sie auf den Wagen laden. Wir bringen sie nach Ipsile-upon-Tyne«, sagte sie.
    Ipsile-upon-Tyne war einer der Orte mit Stadtrecht im Einzugsgebiet von Everoot.
    »Bringt die Harfen zum Goldschmied Agardly. Er kümmert sich auch um den Verkauf der Waren Everoots, und er kennt jeden Minnesänger vom Clyde bis zur Themse. Er wird für die Harfen einen akzeptablen Preis erzielen.«
    Sie hörte das Pergament rascheln. »Für den Weizen würde es wohl reichen«, murmelte William. »Wenn er beide verkaufen kann.«
    Sie nickte. Das war's. Mehr hatte sie nicht zu verkaufen.
    Die Kinderstimme verstummte, aber Gwyn starrte weiter aus dem Fenster. Sie schämte sich, weil die Sorge um den Weizen nicht das war, was ihr Herz am tiefsten traf. Selbst nach einem Jahr, das vergangen war, schmerzte am schlimmsten noch immer das Wissen, dass Pagan sie verraten hatte.
    Eine Woche nach ihrer Rückkehr nach Everoot hatte sie einen Boten mit einem Beutel Gold losgeschickt, um die Wachen im Tower zu bestechen. Der Mann kehrte mit der Hälfte des Geldes zurück, konnte ihr aber nichts über Pagan berichten. »Der ist tot«, sagte er. »Bestimmt ist er tot.«
    Diese Nachricht hatte Gwyn fast umgebracht. Und so wäre es auch besser gewesen — Auge um Auge, Leben um Leben.
    Vergiss ihn.
    Ihre Hände schlossen sich um die Tischkante. Allein Gott wusste, wie sehr sie versuchte, die Erinnerungen an jene Nacht, die inzwischen fast ein Jahr zurücklag, aus ihrem Bewusstsein zu löschen. Jene Nacht, in der ein Zauber in der Luft gelegen und ein Heide sich in ihr Herz gestohlen hatte. Doch ihre Träume waren unberechenbar und weckten sie jeden Morgen. Dann pulsierte heiße Nässe zwischen ihren Schenkeln, und ein Schmerz durchstach ihr Herz.
    Bitte, lieber Gott, lass mich irgendwie dafür büßen, damit ich für all meine Sünden bezahlen kann.
    »Oder lass mich sterben«, flüsterte sie.
    William blickte auf. »Mylady?«
    Sie schüttelte den Kopf. In diesem heißen Sommer herrschte zu viel Tod und Zerstörung. Henri fitzEmpress' Armee war, wie von Marcus prophezeit, im Winter an der englischen Küste gelandet und hatte das Land mit Verwüstung überzogen. Er hatte
    eine Schneise der Zerstörung durch den Südwesten gefräst, und auf seinem Weg hatten sich ihm viele unterworfen.
    Der Süden, der Osten und der Westen, die Welt, die Gwyn kannte, zerfiel durch die Macht der Schwerter einer Armee, die sieh langsam, aber unaufhaltsam in Richtung Norden wälzte, in blutige Stücke. Und sie kam auf Everoot zu.
    Sie konnte nichts dagegen tun. Tiere mussten gefüttert, Fische gefangen und die Felder bestellt werden, obwohl die kräftigsten Männer