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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
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betroffen an. »Hat Euer Vater Euch denn nicht einmal das beigebracht?«
    Sie tastete suchend nach Johns Arm. Instinktiv suchte sie nach Halt, derweil sich ihre Welt auf so abstruse Weise drehte. Papa hatte Pagan gekannt. Papa hatte ihn gehasst. Etwas Gottloses verband die Familien.
    John berührte ihre Hand. Für einen kurzen Moment war er wieder der sanfte, freundliche John, den sie seit Jahren kannte. Der Mann, der ihr diesen Wahnsinn erklären konnte.
    Aber er tat es nicht.
    Einer seiner Männer tauchte am anderen Ende des dunklen Korridors auf und gab ihm ein Zeichen. »Ich muss gehen«, sagte John. Er fasste Gwyn sanft an den Schultern und führte sie zurück in das Zimmer. Bevor er ging, blieb er ein letztes Mal in der Tür stehen. »So ist es das Beste.«
    Er schloss die Tür.
    Gwyn setzte sich und starrte auf die Wand. Die Stille im Gemach war ohrenbetäubend laut und schmerzte geradezu. Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die mit den Handflächen nach oben in ihrem Schoß ruhten. Es waren dieselben Hände wie gestern, wie vor einer Woche. Aber diese Hände waren ihr fremd. Sie hob den Kopf und schaute sich im Zimmer um. Sie entdeckte vertraute Dinge - ein Schreibpult, einen Schrank, einen Tisch -, aber die Gegenstände wurden so abscheulich verzerrt, dass sie in Gwyn einen heftigen Ekel auslösten.
    Ihr Vater hatte ihr zwei Dinge hinterlassen: Everoot und die Schatulle mit den Briefen. Die Schatulle hatte sie einem Heiden gegeben, den sie eine Nacht lang hatte lieben dürfen. Und auch Everoot wäre verloren, wenn sie versuchte, ihn zu retten.
    Sie stieß den Stuhl zurück und rannte zur Tür, riss sie auf und prallte gegen einen von Marcus' Rittern. Es war de Louth. Lieber Himmel, sie war von Alpträumen umgeben.
    »Lasst mich los!«, schrie sie und kämpfte gegen seine Hände, die sich um ihren Leib geschlossen hatten.
    De Louths Stimme klang entschlossen und gefährlich leise. Er packte Gwyn fester und schob sie zurück in das Zimmer. »Bleibt ruhig, Mylady.« Sie glaubte, etwas wie Mitleid über sein Gesicht huschen zu sehen, aber der Moment war schnell vorbei, als er direkt neben der Tür Posten bezog. Das Zimmer hatte kein Fenster.
    DeLouth starrte Gwyn ausdruckslos an.
    »Er hat gesagt, Ihr sollt hierbleiben.«
    Griffyn beeilte sich, nach London zu kommen. Er ritt über versteckte Pfade, preschte im Galopp durch den Wald und setzte über Baumstämme hinweg, die ihm den Weg versperrten. Bis auf Noirs hämmernden Hufschlag war alles still. Als er ein Waldstück nahe eines sächsischen Außenpostens passierte, spürten sie ihn auf.
    Schwerter wurden gezogen, und wütende Schreie hallten durch die mondhelle Nacht.
    Sich gegen zehn Männer wehren zu müssen, war unmöglich. Griffyn wurde in Ketten gelegt und fortgebracht. In ihrem Grimm vergaßen die Männer, sein Pferd einzufangen. Noir galoppierte davon, ein kleines Bündel hing an seinem Sattel.
    Später glitt Hervé aus dem Dunkel des Waldes und fing das Pferd ein. Alex und er folgten den Männern ungesehen bis an die Mauern Londons. Dann ritten sie wie die Teufel zum Hafen von Gloueester, wo ihre Kameraden auf sie warteten.
    Griffyn wurde in den Tower gebracht. Man drohte ihm damit, ihn zu köpfen. Er wurde jeden Tag der Folter unterzogen, und man peitschte ihn fast zu Tode. Nur der Fürsprache König Henris war es zu verdanken, dass er im Austausch gegen einen englischen Adligen, der während des letzten Feldzugs gefangen genommen worden war, freikam. Das geschah sechs Wochen nach seiner Gefangennahme.
    Während seiner Gefangenschaft war das Einzige, das ihn davon abhielt, dem Wahnsinn zu verfallen, der Gedanke an sein Rabenmädchen. Die Erinnerung an ihr Lachen, das er trotz seines Elends zu hören glaubte. Der Ausdruck in ihren Augen, als er ihr versprochen hatte, sie zu finden. Der Gedanke, dass die Welt vielleicht mit ihr etwas heller wäre und sie nicht von den dunklen Begehrlichkeiten getrieben wurde, die ihren Vater in den Abgrund gerissen und dazu gebracht hatten, seinen Eid zu brechen. Dass er vielleicht wieder nach Hause zurückkehren konnte. Dass er ein Zuhause hatte, und dass Gwyn dort auf ihn wartete.
    Die Gräuel, die er in seiner Zelle erlitt, die er sich mit zahllosen Ratten teilte, berührten ihn nicht so tief wie seine Tagträume. Einzig die Hoffnung, die er in diesen Träumen lebte, bewahrte Griffyn davor, den Verstand zu verlieren.
    Aber dann, eine Woche vor seiner Befreiung, hörte er mit an, wie sich zwei seiner Bewacher

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