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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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der Armen war.
    Beinahe unmerklich schüttelte Rodraeg den Kopf. »Und dennoch kann ich Euch nicht glauben, dass Ihr Delphior seid. Selbst wenn Ihr Geld in Wasser verwandeln könnt und Wasser in Geld. Aber das sind nichts weiter als Taschenspielerkunststücke.«
    Â»Und wer, meinst du, könnte ich sonst sein?«
    Â»Zarvuer vielleicht. Zarvuers leiblicher Sohn Eljazokad ist in meinen Diensten gestorben, Zarvuer macht mich dafür verantwortlich und möchte nun an mir Rache nehmen.«
    Â»Oh, durchaus eine interessante Idee, das muss ich anerkennen! Aber Zarvuer sieht ganz anders aus als ich. Er ist sehr kräftig, ein begnadeter Kämpfer. Einer, der der Magie den Rücken kehrte, weil sie ihn eher verlangsamte als beflügelte. Nein, nein, Zarvuer bin ich nicht. Auch nicht Raukar, wie du eben kurz befürchtetest. Ich sehe eher aus wie König Rinwe im höchsten Alter, wegen der Münze, verstehst du? Weil doch Rinwes Gesicht auf allen gewöhnlichen Münzen eingeprägt ist! Aber das konntest du wohl nicht erkennen, wie denn auch? Auf den Münzen ist er ewig jung, kein Gemälde zeigt ihn alt. Das ist nur einer von diesen kleinen Scherzen, die uns Göttern zu eigen sind, bitte sieh mir das nach, mein Sohn. Nein, ich bin wirklich der, der ich zu sein behaupte. Aber es spielt keine Rolle, ob du mir glaubst oder nicht. In wenigen Tagen, wenn es in diesem Wald wieder regnen wird, wirst du die Wahrheit meiner Worte erkennen.«
    Â»Ah.« Rodraeg sah den Alten nun direkt an. »Und wie soll das geschehen?«
    Â»Ihr müsst nur noch eine letzte Prüfung bewältigen, ihr verbundenen drei Elemente. Erdbeben wie Feuer, die beiden Urwaldmänner, von denen einer nun gestorben ist, wie die Erde selbst, und das Mammut – ja, das Mammut immer noch wie Wasser, so nachgiebig und klar und dennoch so stark in seiner Felsen zermahlenden Stetigkeit. Es ist schade, dass ihr nicht auf den Gedanken gekommen seid, auch die Luft zum Teil eures Bundes zu machen. Naenn vielleicht, den zornigen Schmetterling? Aber ich schweife ab. Vergib mir: Meine Weltsicht ist immer wie von der Spitze eines Berges herab. Wir sehen so vieles und müssen doch zu unterscheiden lernen. Wir schufen diese Welt und noch andere darüber hinaus, schufen sie nach unseren Plänen und Vorstellungen, und dennoch … manchmal … manchmal! Wusstest du zum Beispiel, dass wir keinerlei Kontrolle über die Ameisen haben? Oh, wir gaben ihnen ihre sechs Beine und ihre Kraft, ihre Zahl und ihre Ausdauer. Aber sie bauen unterirdische Systeme, in denen es eine Art Wärmeregulierung und einen Luftaustausch gibt. Keiner von uns hat ihnen das beigebracht. Wer weiß, wozu die Ameisen noch gelangen können, wenn nur noch viel mehr Zeit vergeht.«
    Rodraeg hatte Schwierigkeiten, den Worten zu folgen. Er stand auf einem Gipfel und sah doch nichts von der Welt ringsherum, nichts außer einem weißlichen Schleier. Er spürte auch keinen Wind, keine Kälte, keine Sonnenhitze, nichts. Er fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte. Ein Sonnenstich womöglich, während des Aufstieges im vollen Licht?
    Der Alte, der zuletzt noch um ihn herumgegangen zu sein schien, stand plötzlich direkt vor ihm und sah ihm so dicht in die Augen, dass Rodraeg unwillkürlich einen halben Schritt zurückwich. War der Greis eigentlich größer oder kleiner als er? Es schien einmal so, einmal anders zu sein. »Jedenfalls bin ich sehr froh, dass du den Weg zu mir herauf gefunden hast, Rodraeg Talavessa Delbane. Man muss verwundet gewesen sein, um sich in die Schmerzen einer Welt hineinfühlen zu können, und du wurdest vielfach verwundet, in der Schwarzwachsmine von innen und durch Hellas Borgondi von außen. Dennoch wagte ich zu hoffen, dass du dir auch die Strapazen dieses Waldes aufbürden würdest – und siehe, nun stehst du vor mir, und aus eigener Kraft hast du dies bewerkstelligt!«
    Er weiß alles, was ich weiß , dachte Rodraeg. Alles, was bewusst oder unbewusst in meinem Inneren gespeichert ist. Also ist er ich. Ich spreche mit mir selbst. Aber weshalb musste ich erst in einem fremden Urwald auf einen Berg steigen, um zu mir selbst zu gelangen? Ist das nicht merkwürdig … umständlich?
    Oder … bin … ich wieder … auf der Brücke? Der Brücke der brennenden Blumen? Der alte Bettler ist mein eigenes wartendes Ich, seine Ähnlichkeit mit König Rinwe

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