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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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erst um fünf, sodass sie nur schnell etwas Essbares besorgen und zum Umziehen heimfahren konnte, bevor sie wieder ins Flirt musste. Aber irgendwie fiel es ihr viel leichter, als Bardame zu arbeiten, seit sie wusste, dass sie es nur vorübergehend tun musste. Vielleicht auch, weil sie dank ihres hektischen Zeitplans kaum noch Zeit hatte, Danny nachzutrauern.
    Die Kursteilnehmerinnen mussten nicht nur lernen, von Band oder Vorlage abzutippen, sondern es wurde von ihnen auch erwartet, dass sie die Kurzschrift beherrschten. Während dieser Stunden stieß regelmäßig eine weitere Gruppe von Schülern zu den Sekretärinnen. Die Teilnehmer fielen auf, weil sie größtenteils Männer waren und wie reiche Universitätsstudenten aussahen. Sie trugen Cordhosen, Blazer und bunte Collegeschals und blieben meist unter sich.
    »Was sind das für Leute?«, fragte Cara ein Mädchen aus dem Kurs, mit dem sie sich angefreundet hatte. Suzie schien immer alles zu wissen.
    »Die studieren Journalismus.«
    Cara war beeindruckt. »Ich wette, dazu braucht es eine ganze Menge.«
    Suzie zuckte mit den Achseln. »Eigentlich nicht. Ich kenne ein Mädchen, das als Sekretärin in der Redaktion von Woman’s Own gelandet ist. Inzwischen schreibt es seine eigenen Artikel.«
    »Ehrlich?«, fragte Cara nachdenklich. »Das hört sich interessant an.«
    Cara stellte fest, dass sie sich gut in ihrem Kurs schlug. Sie war zwar nicht lang auf der Schule gewesen, aber sie besaß genug gesunden Menschenverstand, um bald zu erkennen, dass es keine Abkürzung gab, um die verschiedenen Techniken zu beherrschen – es war alles eine Frage der Übung. Manchmal hatte sie das Gefühl, verrückt zu werden, falls sie noch ein einziges Mal Der große graue Bär hüpft über den fließenden Bach tippen müsste.
    Die Kurzschrift war noch schwerer zu meistern als das Zehnfingersystem. Es war, als müssten sie eine Fremdsprache lernen. Die neuen Kursteilnehmer mühten sich ab, einen weiteren Text zu übertragen.
    »Ihr müsst üben, üben, üben«, riet ihre Lehrerin der Klasse ganz am Anfang. »Ihr müsst euch angewöhnen, alles in Kurzschrift vor euch zu sehen.«
    Cara folgte ihrem Rat und setzte sich in Zukunft immer nur mit einem Notizblock vor den Fernseher, um Dialogzeilen mitzuschreiben.
    Eines Abends im Club verstummte der Gast, mit dem sie am Tisch saß, mitten im Satz und sah stirnrunzelnd auf die Tischplatte. »Was tust du da?«
    Cara folgte seinem Blick. Ohne es zu merken, hatte sie die Worte ihrer Unterhaltung in Kurzschrift auf der Tischdecke mitgeschrieben.
    »Entschuldige. Nichts.« Hastig zog sie die Hände vom Tisch und verschränkte sie in ihrem Schoß. »Das ist nur eine nervöse Angewohnheit.«
    Der Mann schaute sie verdutzt an, sprach aber weiter, während Cara die Worte auf ihrem Knie stenografierte.
    Am Ende der sechzehn Wochen stand eine Reihe von Prüfungen: in Maschineschreiben, Diktat und Kurzschrift. Anschließend folgte ein Gespräch beim Direktor der Schule, um sicherzustellen, dass die Absolventinnen das Institut angemessen repräsentierten. Cara bestand alles mit Bravour.
    Ihr Diplom überreicht zu bekommen war ein großer Augenblick für sie: Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich etwas erarbeitet, auf das sie stolz sein konnte. Jetzt war es an der Zeit, sich nach einem richtigen Job umzusehen.
    Die Sekretärinnenschule stand in Kontakt mit mehreren Arbeitsvermittlern. Cara entschied sich für eine Agentur namens »Girl Friday« in der Nähe der Fleet Street. Das Büro war mit drei jungen Frauen besetzt, alle in adretten schwarzen Röcken und weißen Blusen. Caras Daten wurden von Tracey aufgenommen. Sie trug eine makellose Fönfrisur und perfekt manikürte Nägel: Auf ihrem Schreibtisch lagen eine Nagelfeile und ein Sortiment knallbunter Nagellackflaschen.
    »Befristet oder unbefristet?«, fragte Tracey und pustete ihre Nägel an.
    »Unbefristet«, erklärte Cara fest. Sie brauchte mehr Stabilität im Leben. Darum drehte sich die ganze Sache.
    Nach einem flüchtigen Blick auf das Formular, das Cara ausgefüllt hatte, ging Tracey die freien Stellen durch, die bei ihnen gemeldet waren. Sie wirkte nicht besonders freundlich und hatte Cara wegen ihres East-End-Akzents anfänglich unwirsch abgefertigt, war aber ein wenig aufgetaut, als sie die Testergebnisse überflogen hatte.
    »Gibt es was im Pressebereich?«, fragte Cara, als Tracey fertig war.
    Ihr Gegenüber seufzte, als könnte sie es nicht erwarten, diese schwierige Kundin

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