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Die vergessene Frau

Die vergessene Frau

Titel: Die vergessene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hayland
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Lösung, aber auf jeden Fall ein Notbehelf, bis sie wusste, wie sie ihre Tochter zu sich holen konnte.
    An diesem Abend setzte sich Franny hin und schrieb an ihre Mutter. Abgesehen von Caras Geburt waren es die schwersten Stunden ihres Lebens. Es gab so vieles zu sagen, und das meiste davon ließ sich nur sehr schwer in Worte fassen. Erst erzählte sie ihr von Cara und schilderte ihr Leben während der vergangenen sieben Jahre, bevor sie auf die angebotene Filmrolle zu sprechen kam und schließlich fragte, ob Theresa einverstanden wäre, sich um ihre Enkelin zu kümmern, die sie noch nie gesehen hatte.
    Unzählige Male setzte Franny neu an, bis sie schließlich beschloss, ihre Geschichte so einfach wie möglich zu erzählen, ohne alle Schnörkel und ohne Bitte um Verständnis oder Vergebung. Im letzten Moment fiel ihr ein, den Brief von Annie adressieren zu lassen, weil sie befürchtete, dass ihre Verwandten den Brief ungelesen zerreißen könnten, falls sie erkannten, wer ihn geschickt hatte. Ihre Freundin war so weise, keine Fragen zu stellen.
    »Weiß der Himmel, was du da auskochst, Fran, aber erzähl es mir lieber nicht«, sagte sie nur.
    Nachdem der Brief adressiert war, brachte Franny ihn zur Post und wartete dann ängstlich auf Antwort.

Kapitel 9
    Vergesst die Engländer und die Hungersnöte, dachte Franny, und kuschelte sich in der offenen Kutsche enger an ihre Tochter. Der wahre Fluch Irlands war der bitterkalte Wind, der über die Sümpfe von Connemara blies.
    Franny hatte zwar liebend gern nostalgische Lieder über ihre Heimat gesungen, solange sie in London gewohnt hatte, aber das romantische Idyll ihres Heimatlandes, das sie in ihrer Fantasie erschaffen hatte, hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Und wenn es einen Fleck gab, den sie noch inniger hasste als ihren Heimatort Glen Vale, dann war es Connemara in der Grafschaft Galway. Hungersnöte und Auswanderungswellen hatten die abgelegene Region zu einer der am dünnsten besiedelten Gegenden Irlands gemacht. Hier lag das Zentrum der Gaeltacht , des gälisch sprechenden Teiles des Landes. Für Franny war es der rückständigste Fleck in einem rückständigen Land, und sie hätte liebend gern nie wieder einen Fuß in diese Gegend gesetzt, wenn ihre Mutter nicht dort gelebt hätte.
    Die Post brauchte etwa fünf Tage von England nach Irland, und Theresas Antwort hatte fast drei Wochen auf sich warten lassen. Bis dahin hatte Franny die Hoffnung schon beinahe aufgegeben. Aber dann war sie eingetroffen: ein ruppiger, abweisender Brief. In den sieben Jahren seit Frannys Weggang war vieles geschehen: Ihr Vater war vor vier Wintern gestorben, nachdem sein Traktor in einen Graben gekippt war. Zu erfahren, dass ihr Vater nicht mehr lebte, war ein schwerer Schlag für Franny, denn nun würde sie ihn nie mehr um Verzeihung bitten können. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten hatte sie ihn geliebt. Sie hatte sich immer ausgemalt, wie sie eines Tages im Triumph heimkehren würde, reich und berühmt, und er dann erkennen würde, dass sich für sie alles zum Guten gewendet hatte. Nun würde es nicht mehr dazu kommen, und sie grämte sich, weil sie nicht früher geschrieben hatte.
    Nachdem sie die Tränen getrocknet hatte, las sie weiter und erfuhr, dass sich noch mehr verändert hatte. Nach Michael Healeys Tod hatten Maggie und Conrad geheiratet, und Conrad war auf die Farm der Healeys gezogen. Theresa hatte zusammen mit Conrads Mutter bei ihnen gelebt, bis ihre ältere Schwester Agatha sich eine Erkältung zugezogen hatte, die sich zu einer schweren Lungenentzündung auswuchs. Und so war Theresa nach Connemara zu Agathas abgelegener Hütte gereist und bei ihr geblieben, bis sie das Zeitliche gesegnet hatte. Da sie das Gefühl hatte, Maggie und Conrad und ihrer jungen Familie – die beiden hatten inzwischen zwei Töchter – zur Last zu fallen, hatte Theresa beschlossen, in Agathas Haus zu bleiben.
    Darum konnte ich dir erst jetzt antworten, schrieb sie. Maggie musste deinen Brief an mich weiterleiten.
    Theresas Tonfall war kühl, dennoch hatte sie sich einverstanden erklärt, Cara bei sich aufzunehmen, und letzten Endes zählte nur das. Sie hatte sich lediglich ausbedungen, dass die beiden direkt nach Connemara fahren sollten, damit weder die Familie noch die Freunde von Caras Existenz erfuhren. Franny gefiel der Gedanke, ihre Tochter zu verstecken, gar nicht, aber es ging ja nur um wenige Monate, bis Cara ihr nach Amerika nachreisen konnte, darum beschloss sie,

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