Die vergessene Frau
eine Nachricht von Clifford vorfand, sie solle am folgenden Montag zu Probeaufnahmen in die Juniper Studios in Hertfordshire kommen. Sie hatte ihre Chance bekommen – jetzt musste sie nur noch beweisen, dass sie das nötige Zeug zum Star hatte.
Kapitel 8
»Was meinst du?« Clifford sank in die weiche grüne Samtcouch zurück und betrachtete nachdenklich die attraktive Brünette.
Er hatte nicht erwartet, sich in dieser Lage wiederzufinden. Als er diese Franny Healey in ihrer Mae-West-Nummer gesehen hatte, hatte er sie um jeden Preis haben wollen und bedenkenlos seine Verbindungen zum Studio als Lockmittel eingesetzt, um sie ins Bett zu bekommen. Nicht in seinen wildesten Träumen hätte er erwartet, dass sie wirklich schauspielern konnte. Doch sie hatte den Test vor der Kamera mit Bravour bestanden: Sie gehörte zu der seltenen Menschengattung, die auf der Leinwand noch besser aussahen als in Wirklichkeit – und Junge, konnte das Mädchen spielen! Seit das Fernsehen immer wichtiger wurde und die Regierung die Filmbranche weniger regulierte, waren die Zeiten für die großen Studios in Hollywood härter geworden, aber sie suchten immer noch nach neuen Talenten, und Clifford hatte das starke Gefühl, dass er jemanden aufgespürt hatte, dem eine echte Zukunft in der Branche vergönnt war.
Franny saß dem Produzenten gegenüber auf einer identischen Couch und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie oft hatte sie in ihren Zeitschriften gelesen, dass ein neuer Star »entdeckt« worden sei, und sich dabei ausgemalt, das würde ihr widerfahren. Und jetzt saß sie hier.
Seit den Probeaufnahmen waren zwei Wochen vergangen. Genau wie die anderen Hollywoodgiganten hatte auch Juniper ein Studio in der Nähe von Elstree, einem langweiligen Dorf in Hertfordshire, etwa vierzig Minuten Zugfahrt außerhalb Londons. Die bloßen Ausmaße des Geländes hatten Franny den Atem verschlagen; es war wie ein eigener kleiner Ort, der sich aus einer Reihe anonymer rechteckiger Flachbauten in verschiedenen Größen zusammensetzte. Franny war zu einer der leeren Aufnahmehallen geführt worden, die ein bisschen wie ein Flugzeughangar aussah. Dort hatte ein Regieassistent, ein Mann auf der untersten Sprosse der Karriereleiter, sie in Empfang genommen und ihr Anweisungen gegeben. Sie musste auf einer schmucklosen Bühne vor farblosem Hintergrund einen kurzen Abschnitt aus einer Szene vortragen, in der sie eine Frau darstellte, die soeben erfahren hat, dass ihr Mann gestorben ist.
Nach dem Vorspielen hatte sie zwei nervenaufreibende Wochen warten müssen, bis sie wieder von Clifford hörte. Dann schickte er ihr eine Nachricht in den Club, dass sie am nächsten Tag um vierzehn Uhr in seinem Hotelzimmer erscheinen solle. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was sie dort erwarten würde. Aber sobald sie das Zimmer betreten hatte, hatte sie erkannt, dass ihr Treffen diesmal anders ablaufen würde als beim ersten Mal. Er hatte ihnen Tee bestellt; die Tür zum Schlafzimmer war fest geschlossen. Diesmal ging es eindeutig ums Geschäft. Und kaum dass sie sich gesetzt hatte, hatte er die magischen Worte gesprochen: »Süße, du könntest tatsächlich das Zeug zum Star haben.«
Er habe ihre Probeaufnahmen ganz fantastisch gefunden, erklärte er ihr; ganz fantastisch. Er habe sie Lloyd Cramer gezeigt, dem Chef des Besetzungsbüros bei Juniper, und auch der sei begeistert. So begeistert, dass sie gemeinsam beschlossen hätten, ihr einen Flug nach Hollywood zu bezahlen. Man würde sie für ein Projekt in Betracht ziehen, bei dem in ein paar Wochen die Dreharbeiten beginnen sollten. Sie brauchte nur noch ins Flugzeug zu steigen. Franny traute ihren Ohren nicht. Jedes Mädchen träumte davon, diese Worte zu hören.
Trotzdem kaute sie stirnrunzelnd auf ihrer Lippe, während sie das Flugticket studierte, das Clifford ihr hinhielt und demzufolge sie in einem Monat fliegen sollte.
Als Clifford ihre Miene sah, runzelte er ebenfalls die Stirn. »Damit gibt es doch keine Probleme, oder? Ich hatte den Eindruck, dass dich hier nichts hält.«
Da sie nicht antwortete, fuhr er, schon etwas schärfer, fort: »Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du keinen Mann und keinen Verlobten hast?«
Sie sah ihn kurz an und dann wieder auf das in einem Monat datierte Flugticket. »Es ist nur so, dass es nur ein einziges Ticket ist.«
»Und?«
Franny schluckte kurz, denn sie wusste, dass sie gleich etwas Falsches sagen würde. Dennoch musste sie sich die Sache von der Seele
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