Die vergessene Frau
hätte, da war sich Maggie sicher.
Außerdem spielte ihr dieser Gedanke in die Hand. Denn andernfalls hätte sie keine andere Lösung gewusst, als ihre Mutter bei sich aufzunehmen, und damit hatte sie es wahrlich nicht eilig.
Als Maggie den Wasserkessel aufsetzte, hörte sie ein Knarren von oben. Instinktiv schaute sie zur Zimmerdecke.
»Was war das?«, fragte sie.
Theresa schien sie gar nicht gehört zu haben. Maggie lauschte einen Moment, aber oben war wieder alles still. Wahrscheinlich war es nur die Katze gewesen, beschloss sie und machte sich wieder daran, Tee zu kochen.
Eine Stunde später hörte Cara die Frau endlich gehen. Sie atmete erleichtert auf. Meistens blieb sie einfach draußen, wenn Theresas Tochter zu Besuch kam. Doch heute war es so kalt gewesen, dass sie sich lieber oben versteckt und versucht hatte, möglichst leise zu sein. Maggie dürfe auf keinen Fall erfahren, dass sie hier wohnte, hatte ihre Großmutter ihr eingeschärft, als Cara damals zu ihr gekommen war. So wie es aussah, war auch diesmal alles gut gegangen. Cara hoffte nur, dass ihnen das Glück auch weiterhin treu bleiben würde.
Kapitel 22
Franny döste zufrieden in ihrem luxuriösen Himmelbett und genoss das köstliche Gefühl, dass es keinen zwingenden Grund für sie gab aufzustehen. Sie streckte sich genüsslich, wälzte sich auf den Rücken und fühlte, wie sich die kühle Seidendecke zwischen ihren nackten Beinen verfing. Ein Lichtstrahl zwängte sich durch die schweren Vorhänge und spendete gerade genug Licht, um die schwere Standuhr an der Wand gegenüber zu beleuchten: Es war kurz vor Mittag.
Leise seufzend schlug Franny die Decke zurück. Sie rutschte aus dem Bett, schlüpfte in ihren elfenbeinfarbenen Satinmorgenmantel und tappte zu der Glastür, hinter der die fünfzehn Meter lange Terrasse lag, die sich vor Max’ Suite erstreckte – ihrer Suite, korrigierte sich Franny schnell. Wie nicht anders zu erwarten sah sie ihren Mann draußen an einem Gartentisch sitzen und in einer Ausgabe des Wall Street Journal lesen.
Sobald Max ihre Schritte hörte, sah er von der Zeitung auf und lächelte sie an.
»Guten Morgen, Schlafmütze.« Er stand auf, kam auf Franny zu und gab ihr einen Kuss, bevor er vielsagend auf seine Armbanduhr blickte. »Ich dachte schon, ich hätte Schneewittchen geheiratet.«
Franny lachte. »Vergiss nicht, Schätzchen, ich bin Schauspielerin; ich brauche meinen Schönheitsschlaf.«
Seine Finger strichen über ihre Wange. »Wenn du etwas nicht brauchst, dann Schönheitsschlaf.«
Franny spürte ein Kribbeln, als er das sagte. Seit sie hier angekommen waren, war Max jeden Morgen so zu ihr: süß, aufmerksam und liebevoll. So begannen sie jeden Tag – mit einem Frühstück auf der Terrasse und einem Bucks Fizz, um auf ihre junge Ehe anzustoßen. Die vergangenen vier Tage in Stanhope Castle hatte sie wie im Märchen erlebt. Franny hatte als Schauspielerin ein gutes Auskommen gefunden, aber ihr Verdienst war nicht mit Max’ Vermögen zu vergleichen. Sein Reichtum überstieg alles, was sich die meisten Menschen erträumten. Es gab auf Stanhope Castle eine ganze Armee von Bediensteten und Hausmädchen, die ihnen jeden Handgriff abnahmen. Franny konnte selbst kaum glauben, dass sie, die noch vor wenigen Jahren den Dreck anderer Leute weggeputzt hatte, nun Herrin in ihrem eigenen Haus sein sollte!
Und in was für einem Haus!
Am Morgen nach der Hochzeitsnacht hatte Max sie durch das ganze Anwesen geführt. Nachdem es allein im Hauptgebäude mehr als einhundert luxuriös eingerichtete Räume gab, war es eher ein Museumsbesuch als eine Hausbesichtigung gewesen. Hier herrschte der reine Überfluss, überall wurde Max’ Reichtum zur Schau gestellt: von der Bowlinganlage über das fünfzigsitzige Kino bis zu den römischen Tauchbecken im Untergeschoss. Die Außenanlagen waren nicht weniger eindrucksvoll: vierzig Hektar an Blumenbeeten, Obstbäumen und Brunnen, ein wahrer Garten Eden. Neben dem Hauptgebäude gab es über das Grundstück verteilt noch vier Gästehäuser – die jeweils als eigene Villen gelten konnten.
Die Führung dauerte vier Stunden, dennoch hatten sie nicht einmal ein Viertel des gesamten Anwesens besichtigt. Da bald das Mittagessen serviert werden sollte, hatte Max darauf bestanden, seiner neuen Frau noch einen letzten Raum zu zeigen, bevor sie essen gingen. Er nahm sie mit nach oben in den fünften Stock und öffnete dort eine Tür, hinter der sich eine Wendeltreppe befand. Es folgte
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