Die vergessene Frau
können.
»Natürlich ist das in Ordnung.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Ich hatte mir das nur nicht überlegt. Aber du hast recht, es ist bestimmt am vernünftigsten, wenn wir hierherziehen.«
Max wurde am folgenden Tag in seinem Büro in San Francisco erwartet. Nachdem Franny momentan keine Filmangebote in Aussicht hatte, hatte sie beschlossen, offiziell drei Monate mit der Arbeit auszusetzen, um sich an das Eheleben zu gewöhnen. So ganz ohne Max wusste sie auf Stanhope Castle jedoch nichts mit sich anzufangen. Der Haushalt erledigte sich unter Hildas wachsamem Auge praktisch von selbst.
»Ich habe keine Ahnung, was ich hier den ganzen Tag machen soll«, gestand sie Max, als sie am Abend ins Bett gingen.
»Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit, Olivia und Max besser kennenzulernen«, schlug er vor.
Er hatte wohl recht, dachte sie, als sie sich ins Bett legte. Die beiden hatten Sommerferien und würden bis zum Herbst bei ihnen bleiben. Es wäre eine exzellente Möglichkeit, den beiden näherzukommen.
Darum stand Franny am nächsten Morgen absichtlich früher auf, um mit ihren Stiefkindern frühstücken zu können. Als sie nach unten kam, saßen beide schon im Frühstückszimmer, einem großen Raum auf der Rückseite des Hauses, wo schon morgens die Sonne schien. Beide verstummten, sobald sie durch die Tür trat.
»Guten Morgen, ihr zwei«, begrüßte Franny sie fröhlich, fest entschlossen, die peinliche Situation zu überspielen. »Ich habe wirklich ausgezeichnet geschlafen. Bestimmt, weil es hier draußen so still ist.«
Schweigen schlug ihr entgegen. Zu hören war nur, wie Gabriel geräuschvoll seinen Teller mit Schinken und Ei leerte und gelegentlich seinen schwarzen Kaffee schlürfte, während Olivia unglücklich auf ihre halb volle Schüssel mit Frühstücksflocken starrte.
Aber so leicht ließ Franny sich nicht einschüchtern. Ob es den beiden gefiel oder nicht, sie gehörte von nun an zur Familie. Also ging sie zur Anrichte, auf der Teller mit frischem Obst und Gebäck bereitstanden, und bediente sich. Gabriel würde begreifen müssen, dass dies ebenso ihr Haus war wie seines. Mit vollem Teller und einem Glas Orangensaft kam sie an den Tisch zurück und setzte sich.
»Hier sieht wirklich alles lecker aus, findet ihr nicht auch?«, fragte Franny. Olivia sah kurz auf und belohnte sie mit einem schüchternen Lächeln. Auf Gabriels finsteren Blick hin senkte das Mädchen den Kopf sofort wieder, aber Franny genügte das als Ermutigung. »Habt ihr heute schon etwas vor?«, bohrte sie weiter nach. »Wenn nicht, dann könnten wir doch einen Ausflug machen. Euer Vater meinte, die Gegend hier sei wunderschön. Vielleicht könnt ihr mir zeigen, wo es euch am besten gefällt …«
»Tut mir leid. Geht nicht«, antwortete Gabriel knapp. »Ich treffe mich mit ein paar Freunden aus der Schule.«
»Ach.« Seine Reaktion überraschte Franny nicht, aber trotzdem war sie enttäuscht. »Ich verstehe.« Sie wandte sich an Olivia. »Und was ist mit dir, Herzchen? Hast du schon etwas geplant?«
»Olivia kommt mit mir«, antwortete Gabriel, ehe seine Schwester auch nur einen Ton sagen konnte. »Das haben wir gestern Abend ausgemacht, stimmt’s, Olivia?« Er schaute seine Schwester an, die an ihrer Lippe nagte.
»Ja, stimmt«, meinte sie verlegen, ohne ihre Stiefmutter anzusehen.
Vermutlich war das gelogen. Franny hatte den Verdacht, dass Gabriel nie vorgehabt hatte, seine Schwester mitzunehmen, und sie damit nur ärgern wollte. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass Olivia liebend gern bei ihr geblieben wäre, dass sie jedoch vor allem ihrem Bruder gegenüber loyal bleiben wollte.
»Natürlich«, sagte Franny, weil sie das labile Mädchen nicht in Bedrängnis bringen wollte. »Ich verstehe.«
»Eigentlich ist es gemein, dass sie ganz allein hierbleiben muss.«
Es war eine Stunde später, und Olivia hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen. Franny hatte nur nett sein wollen – es war nicht richtig, sie allein zurückzulassen.
»Zerbrich dir deswegen nicht den Kopf«, sagte Gabriel. »Bestimmt hat sie es schon wieder vergessen.«
»Vielleicht.« Olivia glaubte nicht, dass ihr Bruder die Situation richtig einschätzte.
Gabriel seufzte verärgert auf. »Ach, verflixt, ich kann nicht warten, bis du dein Gewissen erforscht hast. Wir sind sowieso spät dran. Wenn du lieber bei unserer geliebten Stiefmutter bleiben willst, brauchst du es nur zu sagen. Mir macht das nichts aus.«
So wie er das sagte, wusste
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