Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
aufzubewahren und zu hüten. Dies ist uns fünfhundert Jahre lang gelungen. Bis vor kurzem.«
»Der Würfel zieht die Geister der Toten an, die zwischen den Welten gefangen sind«, sagte Mamacona Kay Pacha.
»Von ermordeten Menschen.«
»Von Menschen, die entsetzliche Verbrechen begangen haben.«
»Von denen, die andere Menschen haben umbringen lassen.«
»Deren böse Geister sind nun die Machtquelle des Würfels«, schloss Mamacona Kay Pacha. »Und seine Kräfte sind gewachsen. Inti hat die Dynamik des menschlichen Hasses und seine Beständigkeit unterschätzt. Die Seele mit dem stärksten Willen hat die Macht über den Würfel. Und das größte Übel setzt sich durch. Jeder lebendige Mann, der den Würfel berührt, kann von dem Geist darin in Besitz genommen werden. Der Geist des Würfels handelt dann durch diesen Mann.«
»Welcher Geist wohnt zurzeit in dem Würfel?«, fragte Wilson.
»Wir können nur sehen, welche Ereignisse seine Schreckensherrschaft hervorbringt.«
»Die Kreuzigung in Cusco ist eines davon, stimmt’s?«
»Ja, offenbar hat eine besonders grausame Seele von dem Würfel Besitz ergriffen. Unter ihrem Einfluss wurden während der vergangenen zwei Wochen in Cusco Dutzende Menschen ermordet. So viel wissen wir.«
»Auch, wo sich der Würfel zurzeit befindet?«, fragte Wilson.
»Nein.«
»Wenn ich an den Würfel herankomme, könnte ich ihn dann sicher transportieren?«
»Wie willst du ihn finden?«
»Ich habe Mittel und Wege«, antwortete Wilson.
»Du darfst ihn nicht bei dir tragen, das darf nur eine Frau. Wenn du ihn berührst, wirst du zum Besessenen.«
»Das ist unsere größte Befürchtung.« Die Priesterin der Unterwelt nickte. »Mit deiner Stärke und deiner Fähigkeit, dich selbst zu heilen, würdest du dann zu einem gefährlichen Gegner für uns werden.«
»Aber der Würfel muss nach Vilcabamba zurückgebracht werden«, sagte Wilson.
»Das können wir nicht erlauben«, erwiderte eines der Orakel. »Er darf nie wieder dorthin.«
»Wenn ich den Würfel auf eigene Faust suche, riskiert ihr viel mehr. Das müsst ihr begreifen. Ich verlange eure Unterstützung ungeachtet eurer Vorbehalte.«
Die drei alten Frauen sahen einander in die Augen und verharrten eine Weile so.
Schließlich sagte Mamacona Kay Pacha: »Du hast anerkannt, dass alles im Leben seinen Preis hat.«
»So ist es«, bestätigte Wilson.
Mamacona Kay Pacha zeigte an ihm vorbei auf eine der Frauen, die hinter ihm standen. »Diese Kriegerin heißt Chiello.«
Wilson drehte sich um. Die junge Frau sah aus wie das blühende Leben. Er schaute zu Aclla, die dicht neben ihm stand, und sah ihr an, dass sie nicht wusste, was die drei im Schilde führten.
»Chiello ist Vivanes jungfräuliche Gefährtin«, fuhr die Priesterin fort. »Du wirst dich heute Nacht zu ihr legen, und morgen reden wir weiter. Erst dann werden wir deine Bitte erwägen.«
»Warum ist das erforderlich?« Wilson war fassungslos, wollte es sich aber nicht anmerken lassen.
»Die Kriegerin Vivane starb vor zwei Nächten. Wir spürten, wie ihre Lebenskraft uns verließ«, sagte eine der Mamaconas. »Sie ist in die obere Welt eingegangen. Es ist ein trauriger Verlust durch den Inka-Würfel.«
»Ohne ihre Gefährtin kann Chiello keine Kriegerin mehr sein«, sagte eine andere Mamacona. »Ihre Aufgabe ist es nun, zur nächsten Kriegergeneration beizutragen.«
»Das könnt ihr nicht von mir verlangen.«
»Du bist es ihr schuldig«, widersprach die Priesterin der oberen Welt. »Denn durch dich ist sie nun allein.«
»Chiello wird heute Nacht deine Partnerin sein. Sie ist in allen Spielarten der Lust ausgebildet, und sie ist willig. Als Gegenleistung wirst du ihr deinen Samen geben.«
»Ich kann das nicht tun«, sagte Wilson aufgeregt. Interessanterweise wanderten seine Gedanken zu Aclla, nicht zu Helena. Aber eigentlich wusste er gar nicht, was er denken sollte, so überrascht war er.
»Morgen früh sprechen wir weiter«, sagte Mamacona Kay Pacha. »Geh mit Chiello, und begleiche deine Schuld. Du wirst eine angenehme Nacht haben, daran zweifle ich nicht. Doch ungeachtet dessen ist die Zeit gekommen, Verantwortung für den Part zu übernehmen, den du gespielt hast. Dies ist der Preis, den du für dein Handeln zu zahlen hast.«
41.
A NDEN , P ERU
M ACHU P ICCHU S ANCTUARY L ODGE
O RTSZEIT : 23.50 U HR
22. J ANUAR 2014
Seit zwei Tagen gab es in dem Luxushotel weder elektrisches Licht noch eine funktionierende Klimaanlage. Es regnete wieder heftig,
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