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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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Gleichberechtigung«, bemerkte Chad.
    Naldo bog um eine letzte Ecke, und die Plaza de Armas lag vor ihnen. Helenas Puls beschleunigte, als sie von einem Ende zum anderen schaute und hoffte, es würde sich eine Verbindung herstellen. Naldo hielt abrupt an, dann zeigte er auf die Uhr am Postamt.
    »Wir haben es geschafft, wie ich gesagt habe!«
    »Gratuliere«, sagte Helena geistesabwesend. »Chad, bezahlen Sie ihn.«
    Naldo öffnete die Bustür, und Helena sprang aufs Pflaster hinaus.
    Der Brunnen lag nur fünfzehn Meter entfernt. Sie rückte ihre Baseballkappe zurecht, vergewisserte sich, dass der Revolver in ihrer Westentasche steckte, und schlenderte auf den Brunnen zu. Von der langen Fahrt taten ihr die Beine weh. John Hanna ging schräg hinter ihr. Helena hatte den Platz schon bei ihrer Anreise gesehen, aber wegen ihrer Höhenkopfschmerzen hatte sie nicht auf Einzelheiten geachtet.
    Sie wusste nicht recht, was sie erwartete, als sie sich dem schwarz-goldenen Skulpturenbrunnen näherte, dessen Becken wie geöffnete Blütenkelche aussahen. Eine Fontäne stieg in die windige Luft, deren Wasser dann aus der vollen Schale in zierlichen Strahlen zwischen den Blütenblättern in die Schale darunter floss. In dem untersten achteckigen Bassin standen vier vergoldete Cherubinen, die Wasser aus ihren Posaunen bliesen. Der Brunnen hatte eine ansprechende Symmetrie und war ohne Zweifel ein Meisterwerk.
    Helena bereitete sich innerlich darauf vor, noch einmal durch die Zeit zu blicken und den Mann zu sehen, der ihr Leben verändert hatte.
    Der gepflasterte Platz war nass vom Regen, und nur wenige Leute hielten sich dort auf, hauptsächlich Rucksacktouristen, die alles, was sie brauchten, ständig bei sich trugen. Das Plätschern des Brunnens war erfrischend, nachdem sie stundenlang nichts anderes als das Dröhnen des Dieselmotors und die Schaltgeräusche des Getriebes gehört hatte.
    Helena stand am Brunnenrand und schaute sich nach allen Seiten um. Über den Dächern sah sie die zerklüfteten Hänge der Senke ansteigen. Aufmerksam blickte sie zu den Läden und Restaurants unter der Kolonnade. Dann sah sie zur Kathedrale hinüber, an die zwei kleinere Kirchen angebaut waren, und schließlich zum Postamt und zur Kommandantur.
    »Wo bist du?«, flüsterte sie.
    Aber sie hörte nur den Hufschlag eines Esels, der eine Karre mit getrocknetem Mais zog.

51.
    C USCO , P ERU V ERLIES DES K LOSTERS O RTSZEIT : 12.35 U HR 24. J ANUAR 1908
    Als Wilson zu sich kam, fühlte er als Erstes den Schmerz in seiner linken Schulter. Er wollte schreien, aber seine Kehle war so trocken, dass er nur krächzen konnte. Seine Arme waren über den Kopf gereckt und seine Hände taub. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass er mit seinem ganzen Körper an den Handgelenken hing. Er wollte sich losreißen, konnte aber den Oberkörper nicht bewegen. Außerdem sah er nichts. Es war stockfinster, und es stank derartig, dass er sich übergeben wollte.
    Ihn erfasste eine Angst, wie er sie noch nie erlebt hatte. Er wusste nicht, wo er war und wie lange er schon dort war. Sein Puls raste. Er fühlte sich wehrlos und allein, als wäre die Dunkelheit sein Todfeind.
    Nach einigen hektischen Bewegungen fand er mit den Füßen Halt auf dem schlüpfrigen Boden und konnte endlich seine Arme entlasten. Er fühlte sich, als hätte man ihm die Schultern ausgekugelt und die Haut von den Handgelenken gezogen. Eben noch war er im strömenden Regen mit einem Gewehr über die Plaza de Armas gelaufen, im nächsten Moment fand er sich in völliger Dunkelheit an die Wand gekettet wieder mit dem Gestank des Todes in der Nase. Er atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen, und aktivierte sein nächtliches Sehvermögen. Nach und nach konnten seine Augen die Dunkelheit durchdringen.
    Er befand sich in einem Verlies mit niedriger Decke. Der Boden war nass. Zu seinem Entsetzen lag links von ihm die Leiche einer nackten Frau, daher kam also der furchtbare Gestank. Wie es aussah, war sie schon eine Weile tot, länger als nur ein paar Tage, denn ihr geschundener Körper zersetzte sich bereits. Ihr Darm hatte sich entleert. Die Tote lag von ihm abgewandt, doch Wilson sah die langen Gliedmaßen und den geflochtenen Pferdeschwanz, der ihn an die Sonnenjungfrauen erinnerte.
    Rechts von ihm war Bingham an die Wand gekettet, ebenfalls an den Handgelenken. Er hing schlaff mit eingeknickten Knien in den Handschellen, den Kopf auf der Brust. Er war vollständig bekleidet. Es war schwer zu

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