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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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dass im Heiligen Tal die Geister der Inka-Könige umgingen. Und so kam es, dass der Vizekönig mit seinen Soldaten von dort abzog.
    Dies ist nicht der Tag, an dem das Tal entweiht wird, beschloss Aclla für sich.
    »Wenn wir bei der Verteidigung des Würfels sterben, ist es ein höchst würdiger Tod«, hatte Mamacona Kay Pacha sie gelehrt. »Der Würfel darf niemals in die Hände der Menschen gelangen. Seine Macht ist zu groß.«
    Atemlos sprang Aclla die letzten Stufen hinauf und stand dann neben Sontane auf dem Felsplateau. Sekunden nach ihr trafen Orelle und Ilna ein. Auf dem Sims unterhalb des Plateaus kauerten Polix und Sepla und öffneten den kleinen Flaschenkürbis, in dem zwei lebendige, leuchtend blau-schwarz gefleckte Frösche saßen. Sie waren an die Innenseite des Deckels gebunden. Bis Polix den offenen Kürbis an Ilna weitergereicht hatte, hatten alle vier Kriegerinnen einen Pfeil aus den Köchern auf ihren Rücken gezogen. Sie strichen mit der Spitze über den Rücken eines Frosches und achteten darauf, dass sie nicht mit dem Schweiß der Tiere in Berührung kamen, um eine Reizungen und Schwellungen zu vermeiden.
    »Wir müssen schnell sein«, flüsterte Aclla. »Sie haben ein Gewehr, einen Springfield-Karabiner. Sie dürfen auf keinen Fall in den Nebelwald gelangen. Ihr alle wisst, welche Folgen das hätte.«
    Die vier legten die Stirnen aneinander und schlossen die Augen. Fünf Sekunden lang verharrten sie so und konzentrierten sich, um eins zu werden, wie Mamacona Kay Pacha es sie gelehrt hatte. Ihr Puls und ihre Atmung gingen nun synchron. »Möge Inti euch beschützen«, sagte Aclla im Chor mit den anderen.
    Die vier öffneten die Augen und sprangen auf. Sie legten die vergifteten Pfeile auf und spannten die Bögen. Schon der geringste Hautritzer durch einen Pfeil führte innerhalb von fünf Minuten zum Tod. Bei einer Verletzung in der Nähe einer Arterie würde der Tod innerhalb von fünf Atemzügen eintreten.
    »Dies ist nicht der Tag«, flüsterte Aclla.
    Die anderen drei flüsterten dasselbe.
    Dann rannten sie mit voller Geschwindigkeit und schussbereitem Bogen durch den weißen Dunst und brachen aus ihm hervor, als die weißen Männer plötzlich in den Blick kamen. Mit einem Schrei schossen sie ihre tödlichen Pfeile auf ihr Ziel ab.

19.
    A NDEN , P ERU
H IRAM -B INGHAM -E XPRESS
72 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 16.30 U HR
17. J ANUAR 2014
    Der Regen schien nachzulassen, als die Diesellok eine Kehre fuhr und auf den letzten Streckenabschnitt einbog, der zum Flussbecken hinabführte. Helena war auf die Unterhaltung mit Don Eravisto konzentriert, aber es war unmöglich, nicht zu bemerken, dass der Zug erneut die Richtung wechselte. Zum ersten Mal seit fünfzehn Kilometern fuhren sie in der Horizontalen, und durch die geschlossenen Fenster war jetzt das Tosen des Urubamba zu hören, das dem aufs Dach prasselnden Regen lautstark Konkurrenz machte.
    »Was hat Sie nach Peru geführt?«, fragte Don Eravisto.
    Wilsons Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge. »Seit ich klein war, habe ich Machu Picchu sehen wollen. Es tat sich eine Lücke im Terminkalender auf, und da bin ich.« Helena trank einen Schluck heißen Tee. »Und warum sind Sie hier, wenn ich fragen darf? Haben Sie etwas zu feiern?«
    Don Eravisto rang sich ein Lächeln ab. »Ich habe Machu Picchu im Lauf der Jahre schon unzählige Male besucht.« Er hob den Blick zur Decke und griff durch den Stoff seines Oberhemds an ein kleines Kreuz. »Es ist meine größte Freude, dorthin zu reisen, gelobt sei der Herr! Wissen Sie, ich bin Geschäftsmann und lebe in Lima, und diese Zugfahrt ist für mich gewissermaßen zur Pilgerfahrt geworden.«
    »Zur Pilgerfahrt?«
    Don Eravisto nickte. »Machu Picchu ist ein spiritueller Ort. Wenn ich die alte Zitadelle des Sonnengottes Inti betrete, bin ich eins mit mir selbst.« Die Erwähnung des Sonnengottes stand in eigentümlichem Widerspruch zu dem Kreuz an seiner Kette.
    »Dann überrascht es mich, dass Sie in so großer Gesellschaft reisen«, bemerkte Helena. »Ehrlich gesagt sieht es wie eine Vergnügungs- und nicht wie eine Pilgerfahrt aus.«
    »Je mehr Menschen ich um mich habe, desto heiterer bin ich«, erwiderte er. »Ein Mann in meiner Position tut selten etwas allein. Ich habe Tausende Arbeiter in Peru und im übrigen Südamerika. Das bringt eine Pflicht zu teilen mit sich. Das entspricht unserer Lebensart. Familie ist sehr wichtig, ebenso die Freunde, die uns am Herzen liegen.

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