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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ride
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sollten gehen.«
    »Wir gehen heute nicht zur Messe«, beharrte Gonzales.
    »Was glaubst du, welchen Eindruck es macht, wenn der Hauptmann des Garderegiments nicht mit seiner Familie zur Kirche kommt? Du bist für alle ein Vorbild.«
    »Es interessiert mich nicht, was andere denken.« Gonzales seufzte. »Außerdem wissen sie gar nicht, dass ich schon wieder da bin.«
    Sarita senkte den Blick. »Wir gehen heute zur Kirche, Lucho. Wichtiger als die Meinung anderer ist, welche Meinung ich von mir selbst habe. Ich werde meine Beziehung zu Gott nicht aufs Spiel setzen wegen des schrecklichen Mordes, den Corsell Santillana begangen hat.«
    »Nicht nur Corsell hat gegen das Gesetz verstoßen.« Gonzales bekreuzigte sich. »Auch der Bischof, der die Kreuzigung eines Mannes befohlen hat, der nicht rechtmäßig verurteilt wurde. Darüber darf ich nicht schweigend hinwegsehen, nicht einmal beim Bischof.«
    »Deine Soldaten stehen Wache vor der Kirche, Lucho.«
    »Mir bleibt nichts anderes übrig! Es gehört trotz allem zu meinen Pflichten, die Kirche zu schützen. Mit meiner Familie zur Messe zu gehen, ist eine andere Sache.«
    »Lucho«, begann sie in sanftem Ton, »du hast bereits stillschweigend darüber hinweggesehen, indem du die Kreuzigung hast geschehen lassen. Siehst du das nicht?«
    »Vielleicht können wir in eine andere Kirche gehen, zum Beispiel nach San Christóbal.«
    »Ich werde nicht in eine andere Kirche gehen, Lucho! In dieser haben wir geheiratet, in dieser wurden unsere Kinder getauft und wir beide ebenfalls. Ich gehe nicht woandershin!«
    Gonzales hätte ihr gern erzählt, was er in den Augen des Bischofs gesehen und wie er sich dabei gefühlt hatte, aber er brachte es nicht über sich. Es war, als hätte das Böse, das sich über Cusco gesenkt hatte, seine Stärke gebrochen.
    »Wir gehen in die Kathedrale wie jeden Sonntag«, sagte sie ernst. »Seit zehn Jahren tun wir das. In der Stadt geht ein Mörder um, und Gott braucht uns gerade jetzt. Wir werden für unsere Kinder und für uns beten. Wir werden für die Seele von Monseñor Pera beten und auch für seinen Mörder, außerdem für die armen Seelen, die diesem Mörder zum Opfer gefallen sind. Das ist es, was Gott in so finsteren Zeiten von uns erwartet.«
    »Vielleicht hast du recht«, meinte Gonzales.
    »In diesen Dingen habe ich immer recht«, sagte sie selbstbewusst. Sie stand auf und sah so schön aus wie noch nie. Um ihren Hals hing das schlichte Silberkreuz, das er ihr bei ihrem ersten Rendezvous geschenkt hatte. Sie war eine üppige Frau mit samtig weicher Haut und freundlichen hellbraunen Augen. Ihr Haar war hüftlang und schien zu leuchten, wenn sie in der Sonne stand. »Wir haben vieles, was es zu schützen gilt, Lucho.«
    Gonzales lächelte. »Du hast recht, wir haben vieles, für das wir dankbar sein können.«
    »Deine Sachen liegen auf dem Kinderbett.« Sarita deutete auf die dunkelblaue Uniform, die sie ihm säuberlich zurechtgelegt hatte. »Die Messe beginnt um zwei. Du hast noch genug Zeit, bis wir aufbrechen müssen.«

29.
    A NDEN , P ERU
89 K ILOMETER NORDWESTLICH VON C USCO
O RTSZEIT : 12.43 U HR
19. J ANUAR 1908
    »Jetzt ist es nicht mehr weit«, sagte Wilson munter.
    Bis zu dieser Stelle war der Aufstieg sehr anstrengend gewesen und unterhalb der Baumgrenze steil und rutschig, sodass sie praktisch auf allen vieren durch das dichte Unterholz gekraxelt waren. Doch es blieb auch weiterhin steil, und man brauchte Erfahrung und Geschick, um zu entscheiden, wohin Hände und Füße am besten zu setzen waren. Wilson rief Bingham daher ständig Anweisungen zu. Beiden lief der Schweiß übers Gesicht. Wilson begriff, dass sie dringend eine Pause brauchten, und machte auf einem flachen Felsen Halt, der etwa zehn Meter über das bewaldete Tal hinausragte.
    Vor einer Weile hatte es aufgehört zu regnen, und der Wind hatte sich gelegt. Die diesigen Wolken hatten sich gehoben, sodass das dunkelgrüne Urubamba-Tal in seiner ganzen Pracht vor ihnen lag. Der Himmel wurde endlich blau, als zum ersten Mal seit Wochen die Sonne durch den Dunst brach. Die Aussicht auf die Berggipfel und bemoosten Steilfelsen war atemberaubend, ebenso wie der Blick auf den mächtigen Urubamba, der weiß schäumend dahinströmte, bis er hinter einer Bergschulter verschwand.
    Zweifellos war dies einer der schönsten Flecken der Erde. Wilson wusste, dass sich die alte Inka-Stadt auf dem Kamm über ihnen verbarg. Erstaunlicherweise war sie noch immer nicht zu sehen.
    Die

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