Die Vergessene Welt
sagst. Und was hat er an sich,
was mir abgeht? Du brauchst es bloß auszusprechen. Ist er
Abstinenzler, Vegetarier, Astronaut, Theosoph, Supermann –
ich versuche alles, Gladys, wenn du mir nur sagst, was dir
gefällt.«
Sie lachte über die Beweglichkeit meines Charakters.
»Also«, sagte sie, »ich glaube, daß mein Ideal schon einmal
nicht so reden würde wie du. Der Mann wäre härter und
unbeugsamer und würde sich nicht so schnell den Wünschen
einer Frau anpassen wollen. Vor allem muß es ein Mann sein,
der tatkräftig sein und handeln kann, der dem Tod furchtlos ins
Antlitz blickt, ein Mann großer Taten und herrlicher
Abenteuer. Nicht den Mann selbst werde ich lieben, sondern
die Siege, die er errungen hat, denn diese werden sich in mir
widerspiegeln. Zum Beispiel Richard Burton! Als ich gelesen
habe, was seine Frau über ihn schrieb, konnte ich ihre Liebe
voll und ganz verstehen. Oder Lady Stanley. Hast du je das
letzte Kapitel gelesen, wo sie über ihren Mann schreibt?
Solche Männer kann eine Frau aus ganzer Seele anbeten und
zu neuen Taten inspirieren, was dann die ganze Welt
bewundert.«
Sie sah in ihrer Begeisterung so wundervoll aus, daß ich
das Gespräch fast um sein Niveau gebracht hätte. Ich riß mich
jedoch zusammen und diskutierte weiter.
»Wir können nicht alle Lady Stanleys oder Richard Burtons
sein«, sagte ich. »Außerdem fehlen uns die Chancen – ich
wenigstens hatte nie solche Chancen. Wenn sie sich mir bieten
würden, würde ich natürlich zugreifen.«
»Aber jeder ist doch von Chancen umgeben. Das ist ja
gerade das Merkmal des Mannes, von dem ich spreche: er
schafft sich seine eigenen Chancen. Man kann ihn nicht davon
abhalten. Ich bin ihm nie begegnet, und doch scheine ich ihn so
gut zu kennen. Wir sind von Heldentum umgeben, es muß nur
erkannt und durchgeführt werden. Den Männern obliegt es,
Heldentaten zu vollbringen, und die Frauen haben die Pflicht,
diese Männer mit ihrer Liebe zu belohnen. Denk doch bloß an
den jungen Franzosen, der letzte Woche mit dem Ballon
aufgestiegen ist. Ein orkanartiger Sturm fegte über das Land,
aber
er
bestand
darauf,
termingemäß
zu
starten.
Fünfzehnhundert Meilen hat ihn der Sturm in vierundzwanzig
Stunden ostwärts getragen, und mitten in Rußland ist er
heruntergekommen. Das ist der Typ von Mann, den ich
meine. Es gibt bestimmt eine Frau, die ihn liebt und die jetzt von
anderen Frauen glühend beneidet wird. Ich möchte, daß es mir
einmal genauso geht, daß man mich beneidet, die Frau eines so
fabelhaften Mannes zu sein.«
»Um dir zu imponieren, hätte ich mich auch
fünfzehnhundert Meilen vom Wind ostwärts tragen lassen.«
»Du sollst aber nichts tun, weil du mir damit imponieren
willst, sondern weil du nicht anders kannst, weil du mußt, weil
alles in dir nach heldenhaften Taten schreit. Du hast im letzten
Monat in der Daily Gazette einen Bericht über das
Grubenunglück in Wigam geschrieben. Meinst du nicht, es
wäre nutzbringender gewesen, wenn du hingefahren wärst und
dich an der Rettung der verschütteten Männer beteiligt
hättest?«
»Habe ich ja getan.«
»Das hast du mir gar nicht erzählt.«
»Ich fand es nicht angebracht, damit zu prahlen.«
Das Interesse an mir schien in ihr zu wachsen. »Das war
aber mutig von dir.«
»Es ist mir nichts anderes übrig geblieben. Wenn du einen
Bericht schreiben willst, der unter die Haut geht, dann mußt
du hautnah an den Ort des Geschehens heran.«
»Das ist aber ein ganz schön prosaisches Motiv. Von
Romantik kann da keine Rede mehr sein. Trotzdem – ich freue
mich, daß du unten in dem verschütteten Stollen gewesen bist.«
Sie gab mir die. Hand, aber mit einer solchen verhaltenen
Würde, daß ich mich nur darüber beugen und sie küssen
konnte. »Ich bin wahrscheinlich bloß eine törichte Frau, die
Backfischideen im Kopf hat«, fuhr sie fort. »Aber die Sache ist
mir so am Herzen gelegen, daß ich mich einfach nicht dagegen
wehren kann. Falls ich je heirate, dann nur einen berühmten
Mann.«
»Warum auch nicht!« rief ich. »Frauen wie du geben den
Männern Kraft und Mut. Gib mir eine Chance, und du wirst
schon sehen, wie ich sie nütze. Aber du hast recht, ein Mann
sollte sich seine eigenen Chancen bauen und nicht warten, bis
sie ihm gegeben werden. Wenn du zum Beispiel an Clive denkst
– ein einfacher Buchhalter und hat ganz Indien erobert. Aber
auch ich werde in dieser Welt noch etwas
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