Die Vergessene Welt
solche Reportagen schon
immer an Leute mit Rang und Namen vergeben, und die
großen unbekannten Lücken in der Landkarte existieren schon
lange nicht mehr. Die Romantik des Abenteurertums ist
ausgestorben. Ich würde sagen …« Er brach ab, und ein
Lächeln huschte über sein Gesicht. »Moment!« rief er. »Die
großen unbekannten Lücken bringen mich auf eine Idee. Wie
war’s, wenn Sie einen Scharlatan – einen modernen
Münchhausen – entlarven und ins Lächerliche ziehen würden?
Er muß endlich als der Lügner gebrandmarkt werden, der er
tatsächlich ist. Mann, das wäre nicht schlecht. Wie gefällt Ihnen
der Vorschlag?«
»Bestens. Ich mache alles und scheue nichts.«
McArdle schwieg und dachte angestrengt nach.
»Vielleicht gelingt es Ihnen«, sagte er nach einer Weile,
»das Vertrauen dieses Mannes zu gewinnen oder wenigstens
mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie scheinen das Talent zu
besitzen, Beziehungen anknüpfen zu können und Sympathie zu
erwecken. Ich merke das ja an mir selbst.«
»Sehr liebenswürdig, Sir«, sagte ich.
»Also gut«, sagte McArdle. »Dann versuchen Sie Ihr Glück
bei Professor Challenger.«
Ich war von den Socken.
»Professor Challenger?« rief ich. »Meinen Sie den
berühmten Zoologen? War er nicht derjenige, der Blundell, dem
Reporter vom Telegraph, eins über den Schädel gezogen hat?«
Der Nachrichtenredakteur verzog den Mund zu einem
schiefen Lächeln. »Na und?« fragte er. »Sie sagen doch, daß Sie
Abenteuer suchen.«
»In Verbindung mit meinem Beruf, Sir.«
»Eben. Ich nehme an, daß Challenger nicht immer so
gewalttätig ist. Blundell muß ihn in einem falschen Moment
angebohrt haben oder auf die falsche Art. Sie haben vielleicht
mehr Glück und gehen taktvoller vor. Der Fall Challenger
dürfte Ihnen liegen, und man soll seine Leute immer dort
einsetzen, wo sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen
können.«
»Wenn ich ganz ehrlich bin, weiß ich nichts über den
Mann«, sagte ich. »Ich kenne seinen Namen nur durch den
Prozeß nach der Sache mit Blundell.«
»Ich kann Ihnen ein paar Anhaltspunkte geben, Mr.
Malone«, sagte McArdle. »Ich habe nämlich schon seit
geraumer Zeit ein Auge auf den Professor.« Er zog einen Zettel
aus der Schublade. »Hier eine kurze Zusammenfassung meiner
bisherigen Recherchen. Ich lese sie Ihnen vor:
Challenger,
George
Edward.
Geboren
achtzehnhundertdreiundsechzig in Largs, in Nordengland.
Studium an der Largs Academy und der Universität von
Edinburgh. Achtzehnhundertzweiundneunzig Assistent am
Britischen Museum, Abteilung Vergleichende Anthropologie.
Achtzehnhundertdreiundneunzig
Rücktritt
wegen
Meinungsverschiedenheiten
und
scharfen
Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten. Gewinner der
Crayston Medaille für zoologische Forschungsarbeiten.
Mitglied von … ach, von einem Haufen von Institutionen im In-
und Ausland: Societe Beige, American Academy of Science, La
Plata und so weiter und so fort. Expräsident der Paläologischen
Gesellschaft, Präsident der British Association für … alles
irgendwelche
hochtrabenden
Angelegenheiten.
Veröffentlichungen:
Beobachtungen
anhand
von
Kalmückenschädeln,
Hervorstechende
Merkmale
der
Entwicklung der Vertebraten. Unzählige Fachartikel, darunter
Der Trugschluß des Weißmanismus, der hitzige Diskussionen
beim Zoologenkongreß in Wien auslöste. In seiner Freizeit
macht Challenger ausgedehnte Spaziergänge und klettert auf
Bergen herum. Adresse: Eumore Park, Kensington, W.
Den Zettel können Sie mitnehmen, und das wäre dann alles
für heute.«
Ich steckte den Zettel ein.
»Eine Frage noch, Sir«, sagte ich, als ich nicht mehr das rote
Gesicht vor mir hatte, sondern eine rosa Glatze, »ich habe
immer noch nicht ganz begriffen, warum ich den Mann
eigentlich interviewen soll. Was hat er denn gemacht?«
Das Gesicht kam wieder in die Höhe.
»Er ist vor zwei Jahren nach Südamerika auf eine
Einmannexpedition gegangen und im vergangenen Jahr
zurückgekommen. Daß er in Südamerika war, wird nicht
bezweifelt, aber er weigert sich zu sagen, wo er gewesen ist. Er
hat von seinen Abenteuern berichtet, aber bloß ganz vage. Als
ihn dann jemand genauer ausfragen wollte, hat der Mann
jegliche Auskunft verweigert. Etwas Wundervolles soll passiert
sein – wenn der Professor nicht das Blaue vom Himmel
herunterlügt, was ich annehme. Er hat ein paar Fotos
hergezeigt, aber das können Fälschungen gewesen sein.
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