Die Vergessene Welt
Inhalt lautete
folgendermaßen:
§
Sir,
ich habe Ihren Brief erhalten, in dem Sie sich meiner Meinung
zum Thema Weißmann kontra Darwin anschließen. Vorweg
gleich eines – ich bin weder von Ihrer Anerkennung noch von
der anderer abhängig. Sie erlauben sich, von Spekulationen zu
sprechen, und ich mache Sie darauf aufmerksam, daß dieser
Ausdruck im Zusammenhang mit diesem Thema eine
Unverschämtheit ist. Ich bin allerdings überzeugt davon, daß
nicht Bosheit, sondern Ignoranz und Taktlosigkeit der Grund
sind, und bin daher bereit, die Angelegenheit auf sich beruhen
zu lassen. Sie greifen einen Satz aus meinem Vortrag heraus
und zitieren ihn, allem Anschein nach, ohne ihn begriffen zu
haben. Man sollte meinen, daß der Sinn dieses Satzes lediglich
einem geistig minderbemittelten Menschen entgeht, falls jedoch
eine Erläuterung tatsächlich vonnöten sein sollte, bin ich
bereit, Sie zu dem von Ihnen genannten Termin zu treffen,
obwohl mir Besuche zuwider sind. Zu Ihrem Vorschlag, meine
Ausdrucksweise
abzuschwächen
(was
einer
Meinungsänderung gleichkommt), möchte ich Ihnen gleich an
dieser Stelle sagen, daß ich so etwas nicht zu tun pflege.
Den Umschlag dieses Briefes zeigen Sie tunlichst Austin,
meinem Faktotum, denn er hat den strengen Befehl, mir lästige
Besucher vom Hals zu halten, vor allem die Halunken von der
Presse.
Hochachtungsvoll
George Edward Challenger
§
Das waren die Zeilen, die ich Tarp Henry vorlas. Er hatte
nichts dazu zu sagen.
Eine Bemerkung konnte er sich allerdings nicht verkneifen.
»Es gibt da so ein neues Zeug«, sagte er. »Cuticura heißt es,
glaube ich. Es soll viel besser sein als Arnika.«
Manche Menschen haben einen merkwürdigen Humor.
Um halb elf hatte man mir den Brief gegeben, und um Punkt
elf war ich an Ort und Stelle. Das Taxi hielt vor einem
eleganten Haus mit Säulen zu beiden Seiten des Eingangs. Die
schweren Samtvorhänge hinter den Fenstern ließen darauf
schließen, daß der gefürchtete Professor kein armer Mann war.
Die Tür wurde mir von einer seltsamen, ausgetrockneten
Gestalt unbestimmbaren Alters aufgemacht, die sich später als
Chauffeur entpuppte und wohl die Lücke füllen mußte, die eine
Reihe von geflüchteten Butlern hinterlassen hatte. Der Mann
musterte mich mit seinen wasserblauen Augen.
»Angemeldet?« fragte er.
»Ja«, antwortete ich.
»Herzeigen.«
Ich hielt ihm den Umschlag unter die Nase.
»Stimmt.«
Er schien kein Mensch zu sein, der viel Worte machte. Ich
folgte ihm durch die Eingangshalle, als eine zierliche Frau aus
einer Tür kam, eine lebhafte Dame mit dunklen Augen. Sie
hätte Französin sein können.
»Einen Moment«, sagte sie. »Sie warten hier, Austin, und
Sie kommen bitte hier herein, Sir. Darf ich Sie fragen, ob Sie
meinen Mann schon kennen? Persönlich, meine ich.«
»Nein, Madam, ich hatte noch nicht die Ehre.«
»Dann muß ich Sie im voraus um Entschuldigung bitten.
Mein Mann ist ein absolut unmöglicher Mensch – absolut
unmöglich. Wenn Sie vorgewarnt sind, dann machen Sie
vielleicht eher ein Zugeständnis.«
»Das ist sehr gütig von Ihnen, Madam.«
»Wenn mein Mann gewalttätig zu werden droht, dann
ergreifen Sie auf der Stelle die Flucht! Lassen Sie sich um
Gottes willen auf keine Streitereien ein. Das ist vielen schon
zum Verhängnis geworden. Anschließend haben wir dann
immer den Skandal und müssen alle darunter leiden. Ich hoffe,
Sie wollen ihn nicht wegen Südamerika sprechen, oder?«
Eine Dame konnte ich schließlich nicht anlügen.
»Oh je!« rief sie. »Das ist das gefährlichste Thema. Von
dem, was er behauptet, werden Sie nicht ein Wort glauben,
aber lassen Sie es sich um Gottes willen nicht anmerken, sonst
gerät er in Wut. Tun Sie so, als würden Sie ihm seine
Geschichten glauben, dann passiert vielleicht nichts. Sie
müssen sich immer vor Augen halten, daß er daran glaubt.
Felsenfest. Dabei ist er ein so ehrlicher Mensch. Bleiben Sie
nicht länger als nötig, sonst merkt er, daß Sie ihm nicht
glauben. Und wenn Sie das Gefühl haben, daß er gefährlich
wird, dann klingeln Sie und halten sich ihn vom Leib, bis ich
komme. Selbst in den bösesten Situationen schaffe ich es
meistens, ihn zurückzuhalten.«
Nach diesen ermutigenden Worten übergab mich die
zierliche Dame wieder dem wortkargen Austin, der während
des kurzen Interviews wie eine Bronzestatue der
personifizierten Diskretion gewartet hatte und mich jetzt durch
einen
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