Die Vergessene Welt
Professoren waren so fasziniert, daß es ihnen die
Rede verschlagen hatte. In ihrer Aufregung hatten sie sich
gegenseitig an der Hand gepackt und standen da wie kleine
Kinder vor dem Nikolaus: Challenger mit einem seligen
Lächeln auf dem Gesicht und Summerlee in ehrfurchtsvoller
Haltung.
»Sapperlott!« Professor Summerlee schüttelte nachdenklich
den Kopf. »Ich bin gespannt, was sie zu Hause sagen, wenn
sie das hören.«
»Mein lieber Summerlee«, meinte Professor Challenger,
»das ist nicht schwer zu erraten. Sie werden sagen, daß Sie ein
abgefeimter Lügner und wissenschaftlicher Scharlatan sind.
Warum sollte es Ihnen besser gehen als mir?«
»Und wenn wir Fotos mitbringen?«
»Dann wird es heißen, daß sie gefälscht sind.«
»Wir können ja noch mehr Beweismaterial vorlegen.«
»Damit können wir sie vielleicht fangen. Vielleicht wird der
Tag kommen, an dem Malone und seine widerwärtigen
Kollegen
unser
Loblied
singen.
Heute
ist
der
achtundzwanzigste August, der denkwürdige Tag, an dem wir
fünf lebende Exemplare des Iguanodon in einer Lichtung des
Maple-White-Landes gesehen haben. Vermerken Sie dasin
Ihrem Tagebuch, junger Mann, und geben Sie diese wichtige
Information an Ihr Käseblatt weiter.«
»Und machen Sie sich gleichzeitig darauf gefaßt, daß Ihnen
der Redakteur in den Hintern tritt«, setzte Lord John hinzu.
»Vom Londoner Breitengrad aus betrachtet, sehen die Dinge
etwas anders aus. Es gibt so manchen, der seine Abenteuer für
sich behält, weil er nicht damit rechnen kann, daß man ihm
glaubt. Aber kann man es ihnen verübeln? In einem Monat wird
uns alles selbst wie ein Traum vorkommen. Wie sagten Sie,
heißen diese Biester?«
»Man spricht vom Iguanodon«, antwortete Professor
Summerlee. »Abdrücke dieser fossilen Riesenechsen sind in
Hastings, Kent und Sussex zu finden. In Südengland muß es
einmal von den Biestern nur so gewimmelt haben, als es noch
genug saftiges Grünzeug gab. Aber die Bedingungen haben
sich geändert, und sie sind ausgestorben. Hier scheinen die
Lebensbedingungen ideal zu sein.«
»Wenn wir je lebend hier herauskommen«, sagte Lord John,
»dann habe ich den Kopf von so einem Biest dabei, das
schwöre ich Ihnen. Aber das dürfte jetzt zweitrangig sein, denn
ich habe das ungute Gefühl, daß etwas in der Luft liegt.«
Auch ich hatte es seit einem Moment gespürt. Im Schatten
der Baumkronen schien etwas Bedrohendes zu schweben.
Furchtsam blickten wir hinauf. Die gräßlichen Kreaturen, die
wir eben gesehen hatten, waren plumpe, faule Tiere, die nicht
von sich aus angriffen und eher als friedlich zu bezeichnen
waren, aber wer wollte wissen, ob in dieser Welt wundersamer
Geschehnisse nicht wilde, grausame Lebewesen lauerten und
darauf warteten, sich auf uns zu stürzen.
Ich hatte wenig Ahnung von vorgeschichtlichen Kreaturen,
konnte mich aber genau an ein Buch erinnern, in dem solche
Bestien beschrieben waren und in dem es hieß, daß sich gewisse
Arten von ihren furchtlos auf Löwen und Tiger stürzten.
Existierten auch sie in den Wäldern dieses seltsamen Landes?
Noch an diesem Tag, am ersten, den wir im Maple White
Land verbrachten, sollten wir zu spüren bekommen, welche
Gefahren uns umgaben. Es war ein schauderhaftes Abenteuer,
an das ich voll Abscheu zurückdenke. Falls uns die Lichtung
der Riesenechsen später, wie Lord John gesagt hat, wie ein
Traumbild vorkommen wird, dann wird uns der Sumpf mit den
Pterodactylen mit Sicherheit wie eine Szene aus einem
Alptraum verfolgen.
Lassen Sie mich genau beschreiben, was passiert ist.
Wir pirschten uns vorsichtig durchs Unterholz. Lord John
ging wieder voran, unsere Professoren gingen immer wieder
in die Knie, um hier ein Gewächs, dort ein Insekt zu
inspizieren, das ihnen unbekannt war. So waren wir an die drei
Meilen am rechten Ufer des Flüßchens entlanggegangen, als
wir wieder zu einer diesmal viel größeren Lichtung kamen, die
auf der uns gegenüberliegenden Seite in einen Gürtel von
Buschwerk überging, der zu einem Hügel aus Geröll
hinaufführte. Uns im Unterholz am Rande der Lichtung haltend,
gingen wir auf den Gürtel zu, als wir plötzlich ein sonderbar
schnatterndes, pfeifendes Geräusch hörten, das die Luft
erfüllte.
Lord John machte uns ein Zeichen, duckte sich, lief wie ein
Wiesel auf den Gürtel zu und kletterte im Schutz des
Buschwerks die Anhöhe hinauf. Wir folgten ihm auf den
Fersen. Oben angekommen, richtete sich
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