Die Vergessene Welt
Lord John ein wenig
auf und spähte über den Rand. Es dauerte einen Moment, bis er
uns an seine Seite winkte. Ich sah es ihm an, daß uns etwas
höchst Außergewöhnliches, aber auch höchst Gefährliches
erwartete.
Wir krochen neben ihn und spähten ebenfalls über den
oberen Rand der Geröllhalde. Vor uns lag ein kleiner Krater,
der auf seinem Grund, etwa hundert Meter von uns entfernt,
flach war wie eine Schüssel. Tümpel mit abgestandenem,
faulig grünem Wasser, Schilfbüschel am Rand der Tümpel und
Hunderte von Pterodactylen.
Wir waren auf den Nistplatz dieser scheußlichen Ungeheuer
gestoßen. Weibchen, die auf ihren ledrigen gelben Eiern
hockten und brüteten, und zwischen ihnen ein Gewimmel von
Jungen, die unaufhörlich schnatterten. Der Gestank, der zu uns
aufstieg, war unbeschreiblich.
Und am oberen Rand des Kraters, jeder auf einem Stein für
sich, hockten die Männchen, die von einer so vertrockneten,
abstoßenden Scheußlichkeit waren, daß man es mit Worten
nicht beschreiben kann. Nur aus dem Rollen ihrer
hervorquellenden Augen und einem gelegentlichen Schnappen
nach irgendeinem Insekt konnte man ersehen, daß sie nicht
versteinert waren, sondern tatsächlich lebten. Die gewaltigen
Hautflügel hatten sie mit verschränkten Vorderbeinen
zusammengefaltet und wirkten wie riesige alte Weiber, die
sich in einen mit Spinnweben überzogenen Schal gehüllt hatten.
Insgesamt etwa tausend dieser ekelerregenden Kreaturen
waren hier versammelt.
Unsere Professoren waren so fasziniert und studierten mit
einer solchen Intensität diese Überbleibsel prähistorischen
Lebens, daß sie am liebsten den ganzen Tag geblieben wären.
Sie machten sich gegenseitig auf Reste von Fischen und
Vögeln aufmerksam, die im Geröll herumlagen und
offensichtlich die Nahrung dieser Kreaturen darstellten, und
beglückwünschten sich gegenseitig, daß endlich die Frage
gelöst war, warum in eng begrenzten Gebieten immer gleich
haufenweise Skelette dieser Flugdrachen gefunden worden
waren. Jetzt war bewiesen, daß sie wie die Pinguine in großen
Scharen zusammenlebten.
Und so kam es, daß Challenger in seiner Besessenheit, dem
Kollegen etwas zeigen zu wollen, den Kopf zu weit vorreckte
und uns damit fast ins Unglück stürzte. Im selben Moment
hatte auch schon eines der uns am nächsten hockenden
Männchen einen schrillen Schrei ausgestoßen, schlug mit den
Flügeln, die gut eine Spannweite von zwanzig Fuß hatten, und
erhob sich in die Luft. Die Weibchen und die Jungen drängten
sich eng zusammen, während sich die Männchen einer nach
dem anderen in die Lüfte schwangen. Der Anblick war
unglaublich. Gut hundert von diesen abscheulichen Kreaturen
verdunkelten den Himmel und zogen Kreise, als wollten sie den
Durchmesser der Gefahrenzone erforschen. Die Kreise wurden
immer enger, die Drachen kamen immer weiter herunter, bis
wir glaubten, das Dröhnen ihres Flügelschlages würde uns das
Trommelfell sprengen.
»In den Wald und zusammenbleiben!« rief Lord John und
brachte das Gewehr in Anschlag.
In der Sekunde, in der wir die Flucht ergreifen wollten,
kreisten uns die Ungeheuer ein und kamen so nah an uns
heran, daß ihre Flügelspitzen an unseren Gesichtern zu streifen
drohten. Wir schlugen mit den Kolben unserer Gewehre nach
ihnen, die Ungeheuer schienen es aber nicht zu spüren. Dann
schoß plötzlich ein langer Hals aus dem Kreis wild
schlagender Flügel hervor, und ein scharfer Schnabel hackte
nach uns. Ein zweiter und ein dritter folgten diesem Beispiel.
Summerlee stieß einen Schrei aus und schlug die Hände vor
das blutende Gesicht. Ich spürte einen Schlag im Nacken, der
so wuchtig war, daß mir schwindelig wurde. Challenger
stürzte zu Boden. Als ich mich bückte und ihm aufhelfen
wollte, bekam ich den zweiten Schlag in den Nacken und fiel
auf ihn. Im selben Moment hörte ich Lord Johns Büchse
knallen und sah, wie eine der Kreaturen mit gebrochenem
Flügel auf dem Boden herumkroch, den Schnabel weit
aufgerissen, die blutunterlaufenen Augen auf uns gerichtet.
Der Schuß hatte die anderen wieder weiter in die Lüfte
hinaufgetrieben.
»Los!« schrie Lord John. »Weg von hier!«
Wir taumelten und stolperten über die Geröllhalde und
hatten gerade den Rand des Unterholzes erreicht, als die Bestien
erneut angriffen. Challenger bekam einen Schlag ins Genick und
ging zu Boden, wir konnten ihn aber gerade noch rechtzeitig ins
Gestrüpp ziehen.
Als wir uns
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