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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Tagesanbruch durch
    einen heftigen Juckreiz aus kurzem Schlaf gerissen wurde,
    bemerkte ich etwas Seltsames an meinem linken Bein. Meine
    Hose war in die Höhe gerutscht, zwischen Aufschlag und
    Socken war eine Handbreit Haut entblößt, und genau da saß
    etwas, was wie eine dicke rote Traube aussah.
    Erstaunt beugte ich mich nach vorn und wollte sie mir vom
    Bein streichen, als sie auch schon platzte und Blut in alle
    Richtungen verspritzte. Angewidert schrie ich auf und lockte
    damit die beiden Professoren herbei.
    »Höchst interessant«, sagte Summerlee, über mein Bein
    gebeugt. »Eine blutsaugende Riesenzecke, meines Wissens
    bisher noch nicht erfaßt.«
    »Die ersten Früchte unserer Anstrengungen«, sagte
    Challenger zufrieden. »Ixodes Maloni taufen wir sie – das ist
    das mindeste, was wir tun können. Leider haben Sie das
    prachtvolle Exemplar zerquetscht, junger Freund. Die kleine
    Unannehmlichkeit, gebissen worden zu sein, wird Ihnen
    sicherlich nichts ausmachen, wenn Sie an das unschätzbare
    Privileg denken, dafür Ihren Namen in den unvergänglichen
    Annalen der Zoologie verewigt zu sehen.«
    »Vielen Dank für die Ehre«, sagte ich gereizt. Mir war
    wirklich nicht zum Lachen zumute.
    Professor Challenger zog erstaunt eine Augenbraue in die
    Höhe und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.
    »Sie sollten danach streben, junger Mann«, sagte er, »Ihr
    Auge und Ihr Denken in den Dienst der Wissenschaft zu stellen.
    Für einen Mann wie mich – und ich rühme mich, ein
    Naturphilosoph zu sein – ist die Zecke mit ihrem
    lanzettenförmigen Rüssel und ihrem aufgeblähten Bauch ein
    ebenso prachtvolles Kunstwerk der Natur wie der stolze Pfau
    oder die Aurora borealis. Sie scheinen sich dessen nicht
    bewußt zu sein, und das finde ich äußerst bedauerlich. Wenn
    wir genügend Ausdauer aufbringen, werden wir sicher ein
    zweites Exemplar finden und es dann aufbewahren.«
    »Zweifellos«, bemerkte Professor Summerlee trocken.
    »Eben ist nämlich das zweite Exemplar in Ihrem Hemdkragen
    verschwunden, werter Herr Kollege.«
    Professor Challenger gebärdete sich wie ein wütender Bulle,
    schrie und hüpfte auf und ab und zerrte an seinem Jackett und
    seinem Hemd zugleich. Summerlee und ich mußten derart
    lachen, daß wir unfähig waren, ihm zu helfen. Er schaffte es
    aber auch allein, und endlich war der massige Oberkörper
    nackt. Aus dem Gewirr von schwarzen Haaren, die an Brust
    und Schultern wuchsen, befreiten wir die verzweifelt
    herumirrende Zecke, ehe sie ihr Opfer hatte anzapfen können.
    – In den Büschen rings um uns herum wimmelte es von diesem
    Ungeziefer, und so waren wir gezwungen, uns einen anderen
    Lagerplatz zu suchen.
    Erst jedoch mußten wir mit unserem treuen Neger sprechen,
    der eben wieder auf der Felszinne aufgetaucht war und uns
    Büchsen mit Kakao und Keksen mitgebracht hatte. Nachdem
    er sie uns eine nach der anderen zugeworfen hatte, sagten wir
    ihm, daß er Verpflegung für zwei Monate zurückbehalten und
    den Rest den Indianern als Lohn für ihre Arbeit und dafür, daß
    sie die Briefe mitnahmen, geben sollte.
    Einige Stunden später sahen wir die Indianer im
    Gänsemarsch über die Ebene wandern, jeder ein Bündel auf
    dem Kopf. Sie gingen auf dem Weg zurück, den wir gekommen
    waren. Zambo bezog unser Zelt am Fuße der Felszinne, und
    dort blieb er – unser einziges Bindeglied zu der Welt unter
    uns.
    Und
    nun
    verlegten
    wir
    unser
    Lager
    von
    den
    zeckenverseuchten Büschen in eine kleine Lichtung, die ringsum
    von Bäumen umgeben war. In der Mitte der Lichtung ein paar
    flache Felsplatten und gleich daneben eine Quelle. Dort saßen
    wir, sauber und bequem, und besprachen unseren ersten
    Vormarsch in dieses neue Land. Vögel zwitscherten in den
    Bäumen, manche davon mit seltsam heulendem Unterton,
    aber sonst war alles still.
    Als erstes stellten wir eine Liste unserer Vorräte auf, denn
    wir mußten wissen, wie lange wir damit durchhalten konnten.
    Insgesamt waren wir mit den Sachen, die wir selbst mitgebracht
    hatten, und denen, die uns Zambo nachgeliefert hatte, relativ
    gut versorgt.
    Bei den Gefahren, von denen wir umzingelt sein mochten,
    waren
    jedoch
    unsere
    Gewehre
    die
    wichtigsten
    Ausrüstungsgegenstände. Jeder von uns hatte dreihundert Schuß
    Munition, außerdem hatten wir noch die Schrotflinte mit
    hundertfünfzig Patronen. Der Proviant reichte für gut drei
    Wochen, Tabak besaßen wir ausreichend, und sogar einige
    Geräte für

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