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Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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zweifellos noch
    gereizter als sonst, hatten sich wieder einmal in den Haaren
    und stritten sich, ob die Ungeheuer, die uns angegriffen hatten,
    zur Gattung Pterodactylus oder Dimorphodon gehörten. Da ich
    mir ihre Fachsimpelei nicht länger mit anhören wollte, setzte ich
    mich etwas abseits auf einen Baumstumpf und rauchte in aller
    Ruhe eine Pfeife, als auf einmal Lord John sich zu mir
    gesellte.
    »Folgendes, Malone«, sagte er. »Erinnern Sie sich an das
    Loch, in dem diese ekelhaften Biester hockten?«
    »Genau.«
    »Das ist doch eine Art Krater, oder?«
    »Ist anzunehmen.«
    »Ist Ihnen die Bodenbeschaffenheit aufgefallen?«
    »Ja – Felsgeröll.«
    »Aber auf dem Grund des Kraters – da, wo die Binsen
    stehen.«
    »Da war der Boden lehmig, aber dunkel. Nicht schwarz,
    sondern eigentlich blau.«
    »Eben«, sagte Lord John. »Also handelt es sich um einen
    vulkanischen Trichter, der bis oben hin voll mit blauem Lehm
    ist.«
    »Und was hat das zu bedeuten?« fragte ich.
    »Ach nichts … nichts.«
    Und damit schlenderte Lord John zu den sich immer noch
    streitenden Wissenschaftlern zurück. Professor Challenger
    versuchte mit schriller Stimme gegen den sonoren Baß
    Professor Summerlees anzuschreien.
    Ich hätte Lord Johns letzte Bemerkung vergessen, hätte ich
    sie an dem Abend nicht noch einmal gehört.
    »Blauer Lehm«, murmelte er wie zu sich selbst vor sich hin,
    »ein vulkanischer Trichter, bis oben hin voll.«
    Ich hatte seine Worte noch in den Ohren, als ich in einen
    tiefen Schlaf der Erschöpfung sank.
    #11

Der Held des Tages
    §
    Lord John Roxton hatte recht gehabt mit seiner Vermutung:
    der Biß der widerlichen Kreaturen, die über uns hergefallen
    waren, war giftig. Am nächsten Morgen hatten sowohl
    Summerlee als auch ich starke Schmerzen und hohes Fieber.
    Challengers Knie war dermaßen dick angeschwollen, daß er
    nur mühsam hinken konnte. Wir mußten deshalb den ganzen
    Tag über im Lager bleiben. Lord John beschäftigte sich damit,
    unsere dornigen Schutzhecken in Höhe und Tiefe zu
    verstärken, wobei wir ihm halfen, soweit wir dazu fähig
    waren.
    Ich erinnere mich, daß ich während des ganzen Tages das
    Gefühl nicht loswerden konnte, wir würden beobachtet. Aber
    ich hatte keine Ahnung, von wem und von welcher Seite aus.
    Dieser Eindruck wurde so stark, daß ich schließlich Professor
    Challenger davon erzählte. Er führte ihn jedoch auf den
    fieberhaften Erregungszustand meiner Nerven zurück. Immer
    wieder blickte ich in die Runde, überzeugt, plötzlich irgend
    etwas zu entdecken. Aber ich sah nur das dunkle Gewirr der
    Hecken und den tiefen Schatten der hohen Bäume, die sich über
    uns wölbten. Ich mußte an den indianischen Aberglauben von
    Curupuri, dem schrecklichen Dämon des Urwaldes, denken.
    Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie seine grauenhafte
    Erscheinung diejenigen verfolgte, die es gewagt hatten, in
    seinen entlegensten und geheiligten Zufluchtsort einzudringen.
    In dieser Nacht – unserer dritten im Maple-White-Land –
    erwies es sich, wie klug es von Lord John gewesen war, sich mit
    der Absicherung unserer Behausung so viel Mühe zu geben.
    Wir schliefen neben unserem langsam verglimmenden Feuer,
    als wir durch ein Gebrüll geweckt wurden, wie ich es
    fürchterlicher nie gehört habe. Es kam aus einer Entfernung
    von ein paar hundert Metern, war ohrenbetäubend und voll
    Angst und Qual. Wir hielten uns die Ohren zu, um diesen
    nervenzermürbenden Schrei nicht länger mit anhören zu
    müssen. Die Not, die darin mitschwang, ließ mir den kalten
    Schweiß ausbrechen und krampfte mir das Herz zusammen.
    Das
    ganze
    Elend einer
    gemarterten
    Kreatur, ihre
    überwältigende Anklage, ihre qualvolle Not, das alles war
    verdichtet und konzentriert in diesem einen furchtbaren Schrei.
    Und dann erscholl neben diesem durchdringenden Ton noch ein
    anderer, ein leises Gelächter aus gewaltiger Brust, ein
    grollendes, kehliges Gurgeln voller Vergnügen. Drei bis vier
    Minuten lang dauerte dieses schauerliche Duett. Das Laubwerk
    raschelte von den aufgeschreckten und hochfliegenden Vögeln.
    Dann verstummte das Geschrei ebenso plötzlich, wie es
    begonnen hatte. Wir saßen noch lange reglos. Lord John warf
    ein paar Äste aufs Feuer; der rote Schein beleuchtete die
    gespannten Gesichter meiner Gefährten und flackerte über die
    dicken Äste über uns.
    »Was war das?« flüsterte ich.
    »Das werden wir morgen erfahren«, sagte Lord John. »Es
    war ganz in unserer Nähe –

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