Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vergessene Welt

Die Vergessene Welt

Titel: Die Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
schmalen Gang zum allerhintersten Zimmer führte. Ein
    Klopfen an der Tür, ein stierhaftes Gebrüll von drinnen, und da
    stand ich vor dem Professor. Von Angesicht zu Angesicht.
    Er saß in einem Drehsessel. Davor ein schwerer, breiter
    Tisch, auf dem sich Bücher, Landkarten und grafische
    Darstellungen häuften. Als ich hereinkam, fuhr er mit seinem
    Sessel herum und sah mich an. Mir hätte es fast den Atem
    verschlagen. Ich hatte ihn mir irgendwie seltsam vorgestellt,
    aber gewiß nicht als die überwältigende Persönlichkeit, die er
    war. Vor allem seine Größe war beeindruckend. Seine Größe
    und seine ganze Gestalt. Er besaß den größten Kopf, den ich je
    auf den Schultern eines Menschen gesehen hatte. Ich bin
    überzeugt davon, daß mir sein Hut – falls er überhaupt einen
    Hut hatte – über die Ohren gerutscht wäre. Sein Gesicht und
    der Bart ließen mich instinktiv an einen Assyrischen Stier
    denken. Während die Hautfarbe frisch und rosig war, war der
    Bart so schwarz, daß er bereits bläulich schimmerte. Wie ein
    Spaten aus gekräuselten Haaren ging er ihm bis auf die Brust.
    Die Kopfhaare waren flach angeklatscht und in einer Welle
    über die breite Stirn gezogen. Die Augen unter den struppigen
    Brauen waren graublau, ihr Blick sehr klar, sehr kritisch und
    sehr bestimmend. Weiterhin sah ich über der Tischplatte enorm
    breite Schultern, eine Brust wie ein Faß und zwei riesige
    Hände mit schwarzen Haaren auf dem Rücken. Dieses Äußere
    und die Donnerstimme, das waren meine ersten Eindrücke des
    berüchtigten Professor Challenger.
    »Na?« brüllte er mich an. »Und jetzt?«
    Ich dachte erst, daß ich keinen Ton herausbringen würde,
    aber es ging doch.
    »Sie waren so gütig«, sagte ich bescheiden, »mir einen
    Termin zu bewilligen, Sir.«
    Ich zog den Briefumschlag aus der Tasche und deutete
    darauf.
    Professor Challenger wühlte auf seinem Tisch, brachte mein
    Schreiben zum Vorschein und breitete es vor sich aus.
    »Ach ja«, sagte er. »Sie sind der junge Mann, der
    Sprachschwierigkeiten zu haben, meine Theorien aber
    anzuerkennen scheint.«
    »Ja, Sir«, antwortete ich eifrig. »Ich erkenne Ihre Theorien
    voll an.«
    »Da bin ich aber sehr froh. Ihr Alter und Ihr Auftreten
    machen die Anerkennung noch gewichtiger. Aber Sie
    scheinen immer noch besser zu sein als diese Herde von
    Schweinen in Wien, die im Chor gegen die britische Einzelsau
    anquieken wollen.« Er sah mich dabei mit entsprechender
    Miene an.
    »Man scheint sich Ihnen gegenüber miserabel betragen zu
    haben«, sagte ich.
    »Ich kann mich selbst verteidigen, das können Sie mir
    glauben, und brauche Ihr Mitleid nicht. Allein in seinen vier
    Wänden ist G.E.Ch. der glücklichste Mensch. Deshalb machen
    wir diese Unterredung kurz. Für Sie kann sie kaum angenehm
    sein, und für mich ist sie eine Qual. Wenn ich richtig
    verstanden habe, wollen Sie Änderungsvorschläge bezüglich
    meiner Thesis machen.«
    Seine Art war so direkt, daß es keine Ausflüchte gab.
    Trotzdem wollte ich noch herumschmarren, bis sich mir ein
    besserer Einstieg bot. Noch vor ein paar Minuten hatte ich mir
    alles ganz einfach vorgestellt, aber jetzt schien mich mein
    irischer Mutterwitz verlassen zu haben. Gerade jetzt, wo ich
    ihn so dringend brauchte.
    Professor Challenger fixierte mich mit Augen aus Stahl.
    »Also?« drängte er.
    »Ich bin lediglich ein einfacher Student, Sir«, sagte ich und
    setzte ein einfältiges Lächeln auf. »Eigentlich nur jemand, der
    ein gewisses … äh … Wissen anzusammeln versucht. Beim
    Studium Ihres Vertrags ist mir eben der Gedanke gekommen,
    daß Sie mit Weißmann etwas sehr streng verfahren sind. Nach
    den Versuchsergebnissen der letzten Jahre scheint seine
    Position doch wieder fester zu werden, oder nicht?«
    »Nach welchen Versuchsergebnissen?« fragte Professor
    Challenger mit einer Stimme, die bedrohlich ruhig klang.
    »Es ist mir schon klar«, sagte ich, »daß diese für Sie keinen
    endgültigen Beweis darstellen. Ich habe eigentlich nur
    gemeint, daß die moderne Denkweise und der … äh …
    allgemeine wissenschaftliche Standpunkt eher eine Richtung
    pro Weißmann einschlagen, soweit ich … äh …« Ich
    verstummte.
    Professor Challenger lehnte sich mit sehr ernster Miene nach
    vorn.
    »Daß der Schädelindex ein konstanter Faktor ist«, sagte er,
    »darf ich bei Ihnen doch wohl als bekannt voraussetzen, oder?«
    »Selbstverständlich, Sir.«
    »Und daß die Telegonie noch sub judice ist,

Weitere Kostenlose Bücher