Die Vergessene Welt
familiäre
Auseinandersetzung, Mr. Malone. Ich habe Sie nicht ins Haus
gebeten, um Ihnen eine kleine Eheszene vorzuspielen.« Er legte
seiner Frau eine Hand auf die Schulter. »Du hast ja recht, meine
kleine Jessie. Und jetzt geh und sei mir nicht böse. Wenn ich
deinen Rat befolgen würde, wäre ich bestimmt ein besserer
Mensch, aber George Edward Challenger wäre ich dann nicht
mehr. Es gibt bessere Menschen wie Sand am Meer, meine
Liebe, aber bloß einen G.E.Ch. Versuch, das Beste daraus zu
machen.« Er gab ihr einen schallenden Kuß, was mir persönlich
peinlicher war als seine vorherigen Grobheiten.
»So, Mr. Malone«, wandte er sich dann an mich. »Und Sie
kommen jetzt mit mir hier herein.«
Und so waren wir einen Moment später wieder in dem Raum,
den wir vor zehn Minuten auf so dramatische Weise verlassen
hatten. Der Professor schloß die Tür hinter mir, deutete auf
einen Sessel und hielt mir eine Kiste Zigarren unter die Nase.
»Echte San Juan Colorado«, sagte er. »Leicht erregbare
Menschen wie Sie brauchen Narkotika. Mann! Doch nicht
abbeißen. Abschneiden – mit Gefühl und Verstand
abschneiden. So, und jetzt lehnen Sie sich bequem zurück und
hören mir gut zu. Falls Sie Zwischenbemerkungen machen
wollen, mache ich Sie jetzt schon darauf aufmerksam, daß ich
das nicht schätze. Heben Sie sich diese gefälligst für den
gegebenen Zeitpunkt auf.
Zunächst einmal werde ich Ihnen erklären, warum ich Sie
nach dem berechtigten Rausschmiß wieder in mein Haus
gebeten habe.« Er strich sich über den Bart und blickte mich
herausfordernd an. Offensichtlich wartete er auf Protest, ich
jedoch hütete mich, etwas zu sagen. »Die Antwort, die Sie
diesem aufdringlichen Polizisten gegeben haben«, fuhr er
schließlich fort, »hat mich dazu veranlaßt. In ihr nämlich
glaubte ich einen Funken von Anstand zu erkennen – mehr
jedenfalls, als ich es bei Leuten Ihres Metiers gewöhnt bin. Die
Tatsache, daß Sie zugegeben haben, an dem Zwischenfall
schuld zu sein, ließ gewisse Anzeichen von Sachlichkeit und
Großzügigkeit erkennen, beides Merkmale, die ich als sehr
positiv empfinde. Die Subspezies der menschlichen Rasse –
und Sie gehören zweifelsohne zu der Sorte – waren schon
immer unter meinem geistigen Horizont. Ihre Worte dem
Polizisten gegenüber haben Sie jedoch in die Sphären meiner
persönlichen Wahrnehmung erhoben. Ich habe Sie sozusagen
erkannt und Sie wieder ins Haus gebeten, weil ich geneigt bin,
Ihre nähere Bekanntschaft zu machen. Ich darf Sie bitten, die
Asche gefälligst in dem kleinen japanischen Schälchen
abzustreifen, das auf dem Bambustisch zu Ihrer Linken steht.«
All das dröhnte er heraus, als sei er der Dozent und ich ein
Hörsaal voll Studenten. Aufgebläht wie ein Ochsenfrosch saß
er in seinem Drehsessel, den Kopf zurückgelegt und die Augen
hochmütig von Lidern halb verdeckt. Dann drehte er sich
plötzlich zur Seite, und ich sah nur noch einen Wust von
Haaren und ein rotes Ohr. Er wühlte in den Papieren auf
seinem Schreibtisch. Als er sich mir wieder zuwandte, hatte er
ein zerfleddertes Zeichenheft oder dergleichen in der Hand.
»Ich erzähle Ihnen jetzt von Südamerika«, sagte er. »Und
bitte – keine Kommentare. Vorweg aber noch etwas: Nichts von
dem, was Sie jetzt erfahren, darf ohne meine ausdrückliche
Erlaubnis
veröffentlicht
werden.
Aller
menschlichen
Voraussicht nach werden weder Sie noch sonst jemand je diese
ausdrückliche Erlaubnis bekommen. Ist das klar?«
»Klar schon, aber hart«, sagte ich. »Ein wohlüberlegter
Bericht könnte doch …«
Er knallte das Heft auf den Schreibtisch.
»Das war’s«, sagte er. »Ich wünsche Ihnen einen schönen
guten Morgen.«
»Bitte nicht!« rief ich. »Ich beuge mich all Ihren
Bedingungen. Es bleibt mir ja offensichtlich keine andere
Wahl.«
»Allerdings nicht«, sagte er.
»Also gut. Ich verspreche es.«
»Ehrenwort?«
»Ja, Ehrenwort.«
Er sah mich zweifelnd an. Sein Blick war völlig ungeniert.
»Und was weiß ich von Ihrer Ehre?« fragte er.
»Also ich muß doch schon sehr bitten!« rief ich verärgert.
»Sie nehmen sich etwas sehr viel heraus. Glauben Sie, ich lasse
mich fortgesetzt beleidigen?«
Mein Ausbruch schien ihn nicht weiter zu stören, sondern
eher zu interessieren.
»Rundschädelig«,
murmelte
er,
»brachycephalisch,
grauäugig, dunkelhaarig, eine Spur negroid. Keltisch, vermute
ich.«
»Ich bin Ire, Sir.«
»Ire?«
»Ja,
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