Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
er endlich sich rasch nähernde Schritte vernahm und gleich darauf atemlos »Damps« in den Telefonhörer gerufen wurde. Als ob sie die Verzögerung wieder gutmachen wollte, rief die Stimme, ohne dem Anrufer einen Moment Zeit für eine Antwort zu lassen: »Hallo, ist da noch jemand?«
Hackenholt meldete sich und sagte ihr, dass er zeitnah mit ihr sprechen müsse, ohne dabei zu erwähnen, worum es genau ging. Frau Damps erklärte sich nach einigem Überlegen bereit, den Ermittler am Mittwochnachmittag zu empfangen, da bis dahin ihre kleine Cousine wieder abgeholt worden wäre.
Um halb sieben sah Hackenholt auf die Uhr und schaltete schleunigst den Computer aus. Der Dienstagabend war – soweit es der Dienst zuließ – für das gemeinsame Squashspielen mit Wünnenberg reserviert. Gerade als der Hauptkommissar das gekippte Fenster schloss, klingelte sein Telefon.
»Hallo, hier ist Sophie Rhom«, meldete sich Sophies freundliche Stimme.
»Hallo, Frau Rhom, da haben Sie aber Glück, dass Sie mich noch erwischen. Ich wollte gerade Feierabend machen.«
»Störe ich Sie?«, fragte sie sofort. »Ich kann auch ein andermal anrufen.«
»Nein, keinesfalls«, log Hackenholt, der schon jetzt entsetzlich spät dran war.
»Ich habe leider gerade eben erst Ihre Visitenkarte gefunden.«
»Ja, ich war heute Nachmittag bei Ihren Nachbarn im Haus und dachte, dass ich bei der Gelegenheit auch gleich noch mit Ihnen reden könnte.«
»Geht es um etwas Bestimmtes?«
»Ja«, meinte Hackenholt zögernd, »aber das möchte ich lieber persönlich mit Ihnen besprechen.«
In der Leitung herrschte einen Moment Stille, dann sagte Sophie: »Wenn Sie wollen, können Sie jetzt vorbeikommen. Ich wollte mir gerade etwas kochen. Leisten Sie mir doch Gesellschaft.«
Während Hackenholt noch überlegte, unter welchem Vorwand er Wünnenberg so kurzfristig absagen konnte, räusperte sich Sophie.
»War nur so eine Idee«, meinte sie verlegen. »Sicher wollen Sie am Abend Ihre Ruhe von der Arbeit haben und Ihr Privatleben genießen. Wir können auch ein andermal –«
»Nein«, unterbrach Hackenholt sie rasch, »ich komme gerne, wenn es Sie nicht stört, dass Sie mich dann schon wieder bei sich in der Wohnung herumsitzen haben.«
»Ganz und gar nicht. Sie sind mir herzlich willkommen.«
»Dankeschön. Dann bis gleich.«
Im Gehen zückte Hackenholt sein Handy und wählte Wünnenbergs Nummer. Er erklärte seinem überraschten Kollegen, dass ihm kurzfristig etwas dazwischen gekommen war und er ihre Verabredung leider absagen musste. Auf dem Parkplatz stellte er dann aber fest, dass er seinen Autoschlüssel im Büro liegen gelassen haben musste, da er ihn in keiner seiner Taschen fand. Leise fluchend eilte er zurück in den zweiten Stock und suchte in seinem Zimmer unter allen Papierstapeln und in den Schubladen. Sein Schlüsselbund war jedoch unauffindbar.
Resigniert setzte sich Hackenholt wieder in seinen Bürostuhl und dachte angestrengt nach, wann er den Autoschlüssel zuletzt gesehen hatte. Nach einigem Grübeln fiel ihm ein, dass er sich heute von Berger in seinem eigenen Auto hatte chauffieren lassen, weil kein Dienstwagen frei gewesen war. Und danach hatten sie beide nicht mehr an die Rückgabe des Schlüssels gedacht. Ganz prima!
Unter Bergers Privatnummer meldete sich Christians Vater, der dem Hauptkommissar mitteilte, dass sein Sohn nicht zu Hause war und er auch nicht wusste, wo man ihn erreichen konnte, da Christian kein Handy dabei hatte. Hackenholt seufzte und bat den Mann, seinem Sohn auszurichten, er möge ihn bitte auf dem Handy zurückrufen.
Anschließend ging Hackenholt zu PI Mitte hinüber und fragte, ob ihn ausnahmsweise eine der Streifenwagenbesatzungen in die Meuschelstraße fahren konnte.
Lila – 5
Wenn sie ihr Ziel erreichen wollte, musste sie ihr weiteres Vorgehen gut planen. Darüber war sie sich im Klaren. Sie wusste nur nicht, ob sie sich so weit zusammennehmen konnte, um alles durchzustehen. Ihr war durchaus bewusst, wie lethargisch sie in den vergangenen Wochen geworden war, und dass es ihr von Tag zu Tag schwerer fiel, sich auf etwas zu konzentrieren. Sie wurde ständig mutloser. Immer öfter kam ihr der Gedanke, dass sie es vielleicht sowieso nicht schaffen würde.
Manchmal war sie sich sehr wohl bewusst, was in ihr vorging: Sie war krank. Eigentlich hätte sie dringendst zu einem Arzt gehen müsste. Aber wozu? Was gab es noch in ihrem Leben, für das es sich gelohnt hätte, all die Mühe auf sich
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