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Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)

Titel: Die vergessenen Schwestern (Hackenholts erster Fall) (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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steilen Abhang neben den Stufen wieder hinauf und legte ihren Rucksack ab. Schnell holte sie den dünnen, schwarzen Draht heraus, den sie im Keller gefunden hatte und der für ihre Zwecke wie geschaffen war. Ein Ende befestigte sie am gegenüberliegenden Baluster, indem sie den Draht mehrfach um diesen schlang und dann die Enden fest zusammendrehte. Ein kurzer Ruck – der Draht hielt. Sorgfältig führte sie ihn quer über die Stufe zur anderen Seite, wo sie das Ende zwischen den Balustern hindurch schob. Der Draht lag nun unsichtbar quer über der fünften Stufe.
    Als Nächstes holte sie die Plastikdose aus ihrem Rucksack, in der sie die Schmierseife aufbewahrte und streifte sich ein paar Einweghandschuhe über. Gewissenhaft strich sie die sechste, siebte und achte Stufe dick ein. Nur einen schmalen Streifen direkt neben der Balustrade ließ sie frei. Anschließend holte sie aus ihrem Rucksack die Scherben der zerbrochenen Weinflaschen. Trotz der dicken wildledernen Handschuhe musste sie höllisch aufpassen, dass sie sich nicht an einer der scharfkantigen Scherben schnitt. Sie verteilte sie auf acht der tiefer liegenden Stufen, was eine ganze Weile dauerte, da sie jede Glasscherbe einzeln mit ihrer scharfkantigen Spitze nach oben hinlegte. Als sie damit endlich fertig war, sah sie erneut auf ihre Uhr: Noch fünfundzwanzig Minuten bis zum vereinbarten Treffen.
    Sie versteckte ihren Rucksack im Gebüsch, nur eine Armlänge von dem Platz entfernt, an dem sie sich nun selbst hinter der Balustrade in die Büsche kauerte. Bevor sie sich das Drahtende um die rechte Hand wickelte, überprüfte sie, ob sie auch wirklich von den Ästen und Blättern der Büsche verdeckt wurde und niemand sie sehen konnte. Wenn sie den Arm nun ein kleines Stück zurückzog, lag der Draht nicht mehr flach auf der Stufe, sondern hing ein ganzes Stück über dem Boden, wodurch er zur ultimativen Stolperfalle wurde.
    Für einen Moment schloss sie die Augen. Es rauschte bedenklich in ihren Ohren. Nachdem sie sich zur Ruhe gezwungen hatte, merkte sie, dass auch ihr Puls sich wieder verlangsamte. Zwar kam ihr das eigene Atmen immer noch viel zu laut vor, aber das war wohl nur Einbildung, da um sie herum völlige Stille herrschte. Sie schaute in den Sternenhimmel. Der halbvolle Mond lachte auf sie herab. Von der Wiese im darüber liegenden Garten stieg feiner Bodennebel auf.
     
    Endlich näherten sich schwere laute Schritte. Er ging ohne zu zögern, selbstsicher, wie sie ihn kennengelernt hatte. Sie wappnete sich, atmete tief ein und aus. Der Moment war gekommen. Jetzt waren die Schritte ganz nah. Sie konnte seine Gestalt sehen. Mit einer ruckartigen Bewegung umfasste sie den Draht fester und straffte ihn. Er war an der Treppe angekommen. Wie sie es gehofft hatte, stieg er trotz der nächtlichen Dunkelheit die alten, unebenen Stufen nicht langsam hinunter, sondern stürmte sie in seiner draufgängerischen Art sorglos hinab.
    Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihre Hand, als sein Fuß an dem Draht hängen blieb und er ins Stolpern geriet. Sie sog scharf die Luft ein, um nicht laut aufzuschreien. Trotz der Handschuhe schnitt das Metall für Sekundenbruchteile tief in ihre Hand ein. Der Mann stieß einen überraschten Schrei aus, bevor er auf der Treppe aufschlug. Glas klirrte. Der Körper stürzte die Stufen hinunter. Sie hörte ein Stöhnen.
    Hastig wickelte sie den Draht von der schmerzenden Hand und stand auf. Sie streifte den Rucksack über die Schultern, dann sprang sie behände die Stufen ganz am Rand der Balustrade hinunter, bis sie neben dem zusammengekrümmten Körper stand. Er rührte sich nicht. Sie beugte sich zu ihm hinab und ließ kurz mit der linken Hand ihr mitgebrachtes Feuerzeug aufflackern. Ihr Blick glitt über die Gestalt.
    Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht voller blutender Wunden. Unter seinem Kopf breitete sich langsam eine Blutlache aus. Als sie ihm einen Tritt versetzte, hörte sie ein schwaches Röcheln.
    In diesem Moment vernahm sie über sich Schritte und Stimmen.
    »Hallo?«, rief jemand laut. »Ist da jemand?«
    Sie wagte kaum zu atmen. Obwohl sie wusste, dass man sie von oben aus nicht sehen konnte, wich sie instinktiv in den Schatten des Gestrüpps zurück.
    »Komm, lass uns noch einen Garten weiter hinuntergehen«, sagte die Stimme.
    »Gib Obacht!«, rief plötzlich eine Frau. »Hier ist es total rutschig, und überall liegen Glasscherben.«
    Die Schritte kamen langsam näher. Sie musste weg. Ihr blieb keine
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